Ploetzlich blond
hätte ich in langsamem Joggingtempo vielleicht eine oder höchstens zwei Minuten durchgehalten und dann hyperventiliert oder – schlimmer noch – wäre zusammengebrochen.
Nikki Howards Körper war dagegen in hervorragender Verfassung. Das war aber auch nicht weiter verwunderlich, weil sie aufgrund ihrer Magenprobleme kein Fett vertrug und alle Lebensmittel, die künstliche Aromastoffe enthielten, für sie nach Kreide schmeckten. Dadurch war ich gezwungen, meine aus Chips und diversen Süßigkeiten bestehende Normaldiät radikal zu ändern und lauter gesunde Sachen wie Fisch und Gemüse zu essen, die ich vorher nicht mit der Kneifzange angerührt hätte. Aber das waren genau die Dinge, die meinen neuen Magen beruhigten und auf meiner neuen Zunge köstlich schmeckten.
Ich weiß schon. Mich hat das am Anfang auch ziemlich deprimiert.
Nikki konnte schwimmen, sprinten und sogar eine halbe Stunde lang seilspringen , ohne auch nur annähernd müde zu werden.
Und in ihrem Körper machten diese ganzen Sachen sogar richtig Spaß. Zum ersten Mal konnte ich die Leute verstehen, die immer begeistert von diesem »Runner's High« schwärmen und behaupteten, Joggen würde glücklich machen. Nach den Ausdauertests fühlte ich mich jedes Mal unglaublich gut. Endlich konnte ich nachvollziehen, warum Sport angeblich so was Tolles ist.
Echt schade, dass ich dazu einen völlig neuen Körper gebraucht hatte.
Nachdem ich alle Tests hinter mich gebracht hatte, die Dr.
Higgins in Dr. Holcombes Auftrag an mir durchgeführt hatte, unterschrieb er meine Entlassungspapiere. Er sagte mir, ich müsse zwar in regelmäßigen Abständen zu Kontrolluntersuchungen ins Krankenhaus zurückkommen, könne jetzt aber erst einmal nach Hause gehen.
Obwohl ich den größten Teil meines Aufenthalts in der Klinik in tiefer Bewusstlosigkeit verbracht hatte, versammelte sich die gesamte Belegschaft und stellte sich in einer Reihe auf, um sich von mir zu verabschieden. Natürlich konnte ich nicht zum Hauptausgang raus, sondern musste mit dem Aufzug in die Tiefgarage hinunterfahren. Nikkis PR-Agentin Kelly hatte nämlich eine Presseerklärung über meine bevorstehende Entlassung veröffentlicht, und so drängten sich in der Eingangshalle der Klinik Paparazzi, die unbedingt fotografisch festhalten wollten, wie Nikki Howard das Krankenhaus verließ. Tja, Pech für sie – Kelly würde mich direkt zu meinem ersten Fototermin fahren (mit Robert Stark höchstpersönlich), um aller Welt zu beweisen, dass Nikki Howard zwar eine Amnesie hatte, ansonsten aber in Bestform war!
Ich schüttelte Dr. Holcombe, Dr. Higgins und den anderen Ärzten, Schwestern und Pflegern, die sich um mich gekümmert hatten, die Hand. Dr. Higgins und ein paar der Schwestern umarmten mich sogar und quetschen Cosabella dabei versehentlich ein bisschen, worüber wir alle lachen mussten.
Als es Zeit wurde, mich von Mom und Dad zu verabschieden, verging mir das Lachen. Meinen Eltern blieb zwar nichts anderes übrig, als mich ziehen lassen, aber natürlich fiel ihnen der Abschied nicht leicht. Die Firma Stark Enterprises hatte unsere ganze Familie mit brandneuen Stark-Handys ausgestattet, und meine Eltern schärften mir ein, mindestens dreimal täglich anzurufen. (Dem Gesichtsausdruck meiner Mutter nach zu urteilen, würde sie mich alle fünf Minuten anklingeln). Sie waren nicht die Einzigen, die sich Sorgen machten. Ich hatte bisher immer zu Hause gewohnt – abgesehen von den drei Wochen, die Frida und ich in den letzten Sommerferien als Betreuerinnen in einem Sommerlager gejobbt hatten. Obwohl ich eine tapfere Miene aufsetzte, hatte ich totale Angst vor dem, was mich erwartete – und ein bisschen sauer war ich auch. Ich wusste, dass es nicht anders ging, aber trotzdem …
Ich und ein Supermodel? Für Stark Enterprises?
Bei Frida hielt sich mein Abschiedsschmerz in Grenzen. Vor allem nachdem wir beide kurz zuvor aneinandergeraten waren, als ich in meinem Zimmer meine (zugegebenermaßen wenigen) Besitztümer gepackt hatte.
»Oh Mann«, hatte sie gestöhnt. »Ich fasse es echt nicht, dass du dich an Nikki Howards riesigem Kleiderschrank bedienen kannst und dir ausgerechnet die langweiligsten Sachen raussuchst. Diese Sketchers sehen ja wohl voll bescheuert aus. Wenn du mit denen in die Schule kommst, schäme ich mich zu Tode.«
»Jetzt nerv mich nicht, Frida«, fauchte ich, weil ich echt andere Sorgen hatte. »An der Schule weiß kein Mensch, dass ich überhaupt mit dir verwandt bin,
Weitere Kostenlose Bücher