Ploetzlich blond
für ihre gute Laune auf Foto-Shootings bekannt. Wobei ich gut verstehen kann, dass man schlecht gelaunt wird, wenn die ganze Zeit irgendwelche Leute an einem herumzerren.
Irgendwann kamen wir an eine Tür, auf der in silbernen Buchstaben robert stark / ceo stand, die Tür wurde aufgerissen, und ich befand mich endlich in Mr Starks Büro.
Allerdings herrschte in dem Büro wegen der Fotoaufnahmen das totale Chaos. Quer über den Teppich war ein Netz von Stromkabeln gelegt, riesige Scheinwerfer verbreiteten glühende Hitze und überall wuselten dünne junge Männer in schwarzen Hemden und Jeans herum. Dazwischen standen hübsche junge Frauen mit Pferdeschwänzen und modischen Brillen, die Becher mit Latte Macchiato umklammerten, und die deckenhohen Fenster (aus denen man wahrscheinlich einen umwerfenden Panoramablick auf Manhattan gehabt hätte) waren mit schweren schwarzen Stoffen verhängt.
In der Mitte des Zimmers stand ein wuchtiger Mahagoni schreibtisch, an dem Robert Stark saß. Sein weißes Hemd war ungefähr fünfzehn Zentimeter tief aufgeknöpft, sodass seine dichte graue Brustbehaarung hervorquoll. Hinter ihm stand sein Sohn, ebenfalls im aufgeknöpften weißen Hemd, das aber in seinem Fall eine komplett haarlose Brust enthüllte. Beide sahen im grellen Scheinwerferlicht extrem gebräunt und gut aus. (Ersteres war einer sogenannten »Bronzing Creme« zu verdanken, mit der Denise mich auch überall eingeschmiert hatte – und ich meine, wirklich überall. Hemmungen muss man als Model wohl am besten gleich über Bord werfen.) Robert Stark machte einen ungeduldigen und sein Sohn einen gelangweilten Eindruck.
Ich wollte auf Mr Stark zugehen, mich vorstellen und ihn fragen, ob wir uns mal unter vier Augen unterhalten könnten. Ehrlich gesagt hoffte ich, er würde seine Meinung darüber ändern, dass meine Eltern zwei Millionen (und mehr) zahlen sollten, falls ich Nikkis vertragliche Verpflichtungen nicht einhielt, wenn er mich kennenlernte … und mir vielleicht auch sagen, weshalb er Nikki einen verwanzten Laptop geschenkt hatte.
Als ich jedoch einen Schritt auf ihn zuging, zog mich plötzlich jemand in die Arme und drückte mich so fest an sich, dass ich beinahe erstickte.
»Da bist du ja endlich!«, brüllte mir eine Frau ins Ohr. »Du meine Güte, ich kann gar nicht glauben, dass wir uns so lange nicht gesehen haben! Ich wollte dich im Krankenhaus besuchen, aber die haben nur die engsten Familienangehörigen zu dir gelassen. Aber ich bin ihre Agentin! Ich gehöre praktisch zur Familie, hab ich zu denen gesagt. Denkst du, die hätten sich erweichen lassen? Keine Chance. Lass dich anschauen!«
Eine dunkelhaarige, extrem schlanke Frau mittleren Alters in einem cremefarbenen Kostüm hielt mich auf Armeslänge von sich weg und musterte mich von Kopf bis Fuß.
»Hinreißend wie immer«, lautete ihr Urteil, als sie mit der Betrachtung fertig war. »Hinreißender geht es gar nicht. Oje, du Ärmste hast wahrscheinlich keine Ahnung, wer ich bin, oder? Du hast wirklich das Gedächtnis verloren!«
»Tja«, sagte ich und blickte an der Frau vorbei zu Robert Stark hinüber, der sich gerade bei jemandem beschwerte, dass der Manschettenknopf an seinem Smokinghemd immer wieder aufging. »Sind Sie vielleicht Rebecca? Meine Agentin?«
»Genau die bin ich!« Sie schlang wieder die Arme um mich. »Rebecca Lowell! Wie schön, dass es dir gut geht. Wenn dir etwas passiert wäre … Ich hätte nicht gewusst, was ich tun soll!«
»Du wärst schnurstracks in die Wohnwagensiedlung am Arsch der Welt zurückgefahren und hättest dir ein anderes armes Mädchen gesucht, das du aus der Anonymität reißen kannst«, kommentierte ein Mann in schwarzer Lederhose, der einen bleistiftstrichdünnen Oberlippenbart trug.
»Ach, sei still«, sagte Rebecca zu dem Lederhosenträger. Dann fuhr sie an mich gewandt fort: »Ich kann mir vor stellen, dass das alles im Moment etwas viel für dich ist. Aber du warst immer ein Naturtalent, und ich weiß genau, dass du bald wieder ganz die Alte sein wirst. Apropos Natur: Freust du dich über die Anfrage von Sports Illustrated ? Oh, Nikki, als ich davon gehört habe … mir kamen fast die Tränen!«
»Jetzt lass das Naturtalent mal in Ruhe, Rebecca«, meinte der Oberlippenbart. »Sie ist schließlich zum Arbeiten hier.«
»Entschuldige, Raoul«, sagte Rebecca, ohne mich loszulassen. »Aber wenn ich bedenke, wie knapp sie am Tode vorbeigeschrammt ist …«
Ich fragte mich, wie sie wohl reagieren
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