Ploetzlich blond
Cosabella im Arm in Nikkis Wohnung trat, erwartete mich dort ein halbes Dutzend Leute – unter ihnen Lulu und Brandon. Sie riefen: »Willkommen zu Hause, Nikki!«, warfen Luftschlagen, ließen Champagnerkorken knallen und liefen auf mich zu, um mich zu umarmen.
Oh ja, ich war überrascht. Besonders, weil derjenige, der mich am innigsten umarmte, ausgerechnet Justin Bay war.
Wir waren im Cave. Einem Club, der so hieß, weil er sich wie eine Höhle unterhalb der Stadt befand, genauer gesagt in einem Abschnitt des U-Bahn-Tunnelsystems, der vor fast hundert Jahren geplant, aus Geldmangel aber nie fertiggestellt worden war. Irgendjemand hat an der Felsdecke Lampen angebracht, eine Anlage eingebaut, ein paar DJs an die Plattenteller gestellt und einen der angesagtesten Clubs New Yorks daraus gemacht. Obwohl Mittwoch war, reichte die Warteschlange vor dem Eingang bis zur nächsten Straßenecke. Rein kam aber sowieso nur, wer »jemand« war.
Nikki Howard war ganz offensichtlich jemand. Obwohl sie erst siebzehn war und offiziell noch gar nicht in Clubs gehen durfte, in denen Alkohol ausgeschenkt wurde.
Aber Nikki trank sowieso keinen Alkohol, wie ich erfuhr, als ich vom vielen Tanzen komplett ausgetrocknet zur Bar ging und der Barkeeper mich begrüßte. »Hallo, Nikki. Auch mal wie der da? Was kann ich dir bringen? Das Übliche?«
»Ich habe eine Amnesie«, sagte ich zum gefühlten tausends ten Mal an diesem Abend. (Es war mein Standardsatz, wenn wieder jemand auf mich zukam und rief: Hey. Nikki, ich bin's! Erinnerst du dich nicht an mich? Joey/Jimmy/Johnny/Jan aus Paris/Dänemark/East Hampton/Los Angeles! ) »Ich weiß nicht. was das Übliche ist.«
Der Barkeeper griff nach einem langstieligen Cocktailglas, füllte es mit Mineralwasser, ließ eine gekräuselte Orangenschale hineinfallen und schob es mir dann über die Theke zu. Es sah exakt aus wie ein Martini, nur eben mit Orangenschale statt Olive.
»Das ist der Nikki Spezial «, raunte er mir mit einem Zwinkern zu. »Nur die Leute hinter der Bar wissen, dass da nur Mineralwasser drin ist. Du darfst wegen deiner Magenprobleme keinen Alkohol trinken. Ach so, und natürlich auch weil du noch nicht einundzwanzig bist«, fügte er grinsend hinzu.
»Danke.« Ich lächelte und fand es auf einmal gar nicht mehr so schlimm, Nikki Howard zu sein. Etwas, womit ich zu Beginn des Tages niemals gerechnet hätte.
Ich drehte mich um und nippte an meinem Nikki-Spezial, während ich meinen Blick über die Tanzfläche schweifen ließ. Kaum zu glauben, dass der Club an einem Wochentag um zwei Uhr morgens so voll war (und sogar immer noch voller wurde). Wobei ich das natürlich nicht beurteilen konnte, weil ich noch nie in einem Club gewesen war. Vielleicht war das ja normal. An der Theke war kaum noch ein Platz frei. Ich hatte nur einen bekommen, weil ein galanter Fan mir freundlicherweise seinen Barhocker überlassen hatte. (Natürlich im Austausch gegen ein Autogramm. Als mich das erste Mal jemand um eins bat, hätte ich aus alter Gewohnheit beinahe mit Em Watts unterschrieben. Ich war so von Autogrammjägern umlagert, dass ich mich mittlerweile fast daran gewöhnt hatte.)
Auf der in buntem Stroboskoplicht flackernden Tanzfläche zuckten die Clubgäste zu hypnotischen Technoklängen und waren im dichten Trockeneisnebel kaum noch zu erkennen. Ich wusste, dass Lulu dort war, zusammen mit Brandon und Justin und diversen »besten Freunden« von Nikkis Howard, die sich im Laufe des Abends um uns geschart hatten. Wir hatten den Abend mit einem Champagnerumtrunk im Loft begonnen, waren anschließend in das Restaurant des berühmten Fernsehkochs Bobby Flay gegangen, wo wir in ausgelassener Runde zu Abend gegessen hatten (Bobby Flay war sogar höchstpersönlich an unseren Tisch gekommen, um mir – ich meine, Nikki – gute Besserung zu wünschen) und waren zuletzt im Cave gelandet.
Lulu war so stolz auf die Überraschungsparty gewesen, die sie für mich organisiert hatte, dass ich es nicht übers Herz brachte, ihr zu sagen, dass ich eigentlich gar nicht in Feierlaune war. Also spielte ich tapfer mit und ließ mich von ihr sogar in Nikkis begehbaren Kleiderschrank zerren, wo sie mir ein Partyoutfit zusammenstellte.
Lulu war also schuld daran, dass ich in schwarzen Ankle Boots mit superhohen Stilettoabsätzen, einem ultratief ausgeschnittenen schwarzen Top und einem Minirock aus Gold-lamé an der Theke saß und exakt so aussah wie eine Nutte, die ich mal auf dem West Side Highway
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