Ploetzlich blond
konnte? Sweatshirts und Jeans sind zwar immer bequem, aber kaum jemand sieht darin gut aus – jedenfalls nach Meinung von Frida. Nicht dass mich das jemals daran gehindert hätte, so in die Schule zu gehen. (Außer wenn Frida mich vorher abgefangen und gezwungen hatte, mir etwas anderes anzuziehen.) Aber natürlich hatten mich dann auf Schritt und Tritt die verächtlichen Blicke der »Lebenden Toten«, verfolgt, weil ich es wagte, mich ihrem ungeschriebenen Modediktat zu widersetzen.
Vielleicht lag es an meinem ungewohnten Outfit, dass jeder Schüler, der vor der Schule stand, aufhörte zu tun, was er oder sie gerade tat, und mich anstarrte, als ich aus dem Taxi stieg und auf den Haupteingang zuging.
Doch dann hörte ich sie » Nikki Howard« zischeln, und mir fiel wieder ein, dass sie ja gar nicht mich – Em Watts – und meine ungewöhnliche Kleidung anstarrten, sondern meinen neuen VIP-Körper.
Ach ja, genau. Ich war ja jetzt Nikki Howard.
Kurz darauf sah ich, wie sich eine der »Lebenden Toten« vom Zaun löste und auf mich zugeschlendert kam. Es dauerte eine Sekunde, bis ich erkannte, dass es sich um meine Schwester Frida handelte. So sehr hatte sie sich äußerlich schon den Zombies angepasst.
»Ähem, Nikki?«, sagte sie und tat so, als wüsste sie nicht, dass ich in Wirklichkeit ich war.
Ich blieb stehen und starrte sie an. Der Grund dafür war, dass sie die rot-goldene Cheerleaderuniform der Tribeca High school trug.
Und total süß aussah.
»Wann hast du die Sachen angezogen?«, entfuhr es mir. Zum Glück standen wir so weit von den anderen entfernt, dass keiner von ihnen etwas mitbekam. »Mom hätte dich in dem Aufzug garantiert niemals aus dem Haus gelassen. Weiß sie überhaupt, dass du jetzt bei den Cheerleadern bist?«
»Ich hab mich im Schulklo umgezogen«, sagte Frida ungeduldig. »Und nein, Mom weiß nichts. Hatten wir nicht aus gemacht, dass du so tun sollst, als würdest du mich nicht kennen?«
»Ich kenne dich nicht«, sagte ich und musterte ihr ultrakurzes kariertes Röckchen. »Aber du siehst … siehst …«
»Sag jetzt nichts, Em«, fauchte Frida und kniff die Augen zusammen.
»… süß aus.«
Frida klappte die Kinnlade herunter. »Sekunde mal, hast du eben gesagt, was ich glaube, was du gesagt hast?«
»Ich glaub, Nikki färbt irgendwie auf mich ab«, sagte ich kopfschüttelnd. »Ich fange an, alles Mögliche gut zu finden, was ich früher zum Kotzen fand.«
»So wie Brandon Stark?«, wollte Frida wissen. »Heute war auf tmz.com nämlich ein Foto von euch, wie er dich gestern Nacht aus dem Cave getragen hat. Und dann noch eins, wo du in die Limo fällst und die Beine in die Luft streckst, und man konnte voll deine …«
Ich erstarrte. »Die Bilder hat Mom aber nicht gesehen, oder?«
»Als würde die morgens als Erstes im Internet auf irgendwelchen Promiseiten surfen. Die ist viel zu sehr damit beschäftigt zu versuchen, dich zu erreichen. Hast du eigentlich vor, auch irgendwann ans Handy zu gehen, wenn es klingelt? Jedenfalls war es echt ein Glück, dass du Unterwäsche anhattest.« Plötzlich senkte sie die Stimme und flüsterte: »Oh Gott. Dreh dich nicht um, aber die glotzen alle. Die starren dich alle an – ich hab dir gesagt, dass du dich NICHT UMDREHEN sollst! Hey … was sind das eigentlich für Ketten, die du da umhast?«
»Keine Ahnung«, sagte ich. »Die gehören Nikki. Ich glaub, die sind aus der neuen Kollektion, die sie für Stark entworfen hat. Wenn sie dir gefallen, kann ich dir bestimmt welche besorgen …«
»Au ja, das wäre cool. Schau sie dir an.« Frida warf Whitney und den anderen »Toten« einen triumphierenden Blick zu. »Die fragen sich jetzt bestimmt alle, wieso ich mit dir rede. Ich hab gesagt, du sollst dich nicht umdrehen.« Dann kicherte sie. »Oh mein Gott. Whitney Robertson schaut voll her – das ist so cool. Whitney Robertson schaut mich an. MICH. Sie hat mich noch nie angeschaut. Das ist der schönste Tag meines Lebens.«
»Ja, toll«, sagte ich und schob mich an Frida vorbei auf die Eingangstür zu, um zum Sekretariat zu gehen. »Willkommen in Nikki Howards Welt, Frida. Schön, dass es wenigstens eine gibt, die sich darin wohlfühlt.«
Als ich durch die Tür schlüpfte, warf ich einen Blick über die Schulter zurück und sah, dass mindestens dreißig Leute auf Frida zugerannt kamen, die bestimmt alle wissen wollten, was sie mit mir geredet hatte. Frida gab sich cool, zuckte mit den Achseln und schleuderte ihre Haare zurück.
Aber
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