Ploetzlich blond
es war offensichtlich, dass sie im siebten Himmel schwebte.
Echt schade, dass ich dafür durch die Hölle gehen musste.
Ich bekam mein altes Schließfach zugeteilt.
Natürlich hätte ich es mir denken können. Ich war ja die Einzige gewesen, die mitten im Schuljahr abgegangen war.
Deshalb war es eigentlich kein Wunder, dass ich mein altes Schließfach bekam und einen Platz in vielen – wenn auch nicht allen – meiner alten Kurse.
Anscheinend sorgte sich die Schulleitung, dass die Leistungskurse, in denen Em Watts gewesen war, etwas zu anspruchsvoll für Nikki Howard sein könnten, vor allem in Anbetracht ihrer angeblichen Amnesie. Ich musste ziemlich viel Überzeugungsarbeit leisten, aber irgendwie gelang es mir, Nikki wenigstens in Englisch, Bio und Mathe in meinen alten Leistungskursen für besonders Begabte unterzubringen. (Ich versprach, sofort in normale Kurse überzuwechseln, falls ich nicht mitkommen sollte.)
Da ich immerhin einen ganzen Monat verpasst hatte, war es nicht einmal unwahrscheinlich, dass ich tatsächlich nicht mehr mitkommen würde. Aber ich war bereit, es zu probieren, wenn ich dadurch die Chance hatte, zumindest in einigen Fächern in Christophers Klasse sitzen zu können. Wie sollte ich mich denn sonst mit ihm anfreunden?
Eine Neuntklässlerin, die ich nicht kannte, wurde gebeten, mich zu meinem Schließfach zu bringen und mir die Schule zu zeigen. Sie hieß Molly Hung und war total aus dem Häuschen vor Begeisterung, dass sie Nikki herumführen durfte. Ich musste natürlich so tun, als würde ich die Zahlenkombination meines Schließfachs nicht kennen, weil Molly sonst geglaubt hätte, ich hätte übersinnliche Fähigkeiten. Sie war sehr schüchtern, und ihre Finger zitterten, als sie mir zeigte, wie man das Zahlenschloss drehen musste. Nachdem sie mich die Kombination selbst ausprobieren und die Tür hatte öffnen lassen (meine Sachen waren alle weggeräumt, klar), nahm sie all ihren Mut zusammen und stellte mir eine Frage.
»Sag mal, ist Brandon Stark echt dein Freund?«, wollte sie wissen. »W-weil … ich hab nämlich ein Foto von euch gesehen.«
Ich zögerte. »Äh … ja. Aber wir sind nicht so richtig fest zusammen, weil ich ja auch im Krankenhaus war und …«
»Oh!« Mollys Hand flog zu ihrem Mund und sie sah verlegen aus. »Natürlich. Das hab ich ganz vergessen. Du kannst dich ja an gar nichts erinnern. Das tut mir so leid. Wirklich. Gott, ich bin so blöd.«
»Schon okay«, beruhigte ich sie. »Mach dir keine Gedanken.«
Molly Hung sah trotzdem so aus, als hätte sie vor lauter Verlegenheit am liebsten Selbstmord begangen.
Anschließend brachte sie mich zu dem Klassenzimmer, in dem meine erste Unterrichtsstunde stattfand. Ich hatte das große Glück gehabt (Achtung: Ironie-Alarm), wieder in Mr Greers Rhetorikkurs zu landen. Als wir vor der Tür standen, sagte sie: »Weißt du … ich kann mir vorstellen, wie schwer es ist, an eine neue Schule zu kommen, wo man keinen kennt. Wenn du willst, kannst du in der Mittagspause in der Cafeteria gern bei mir sitzen …«
»Oh«, sagte ich. An die Cafeteria hatte ich bis dahin noch gar nicht gedacht. Neben wem würde ich sitzen? Ich war ganz automatisch davon ausgegangen, dass ich bei Frida sitzen würde, aber jetzt wurde mir klar, dass das natürlich absurd war. Wieso sollte sich Nikki Howard zu einem Mädchen setzen, das sie nicht kannte, außer dass sie vor der Schule ein paar Wörter mit ihr gewechselt hatte?
Jemand wie Nikki Howard würde wahrscheinlich gar nicht in der Cafeteria zu Mittag essen, sondern in ein Restaurant gehen.
Oh Mann, wem versuchte ich hier eigentlich, etwas vorzumachen?
Tatsache war, dass jemand wie Nikki Howard gar nicht in eine normale Schule gehen würde. Wenn überhaupt, dann höchstens im Rahmen irgendeiner Reality-Show.
»Danke für das nette Angebot«, sagte ich zu Molly. »Ich schau nachher in der Cafeteria mal, ob ich dich finde, okay?«
»Gut.« Molly errötete vor Freude. Sie holte einen Zettel aus ihrer Tasche und kritzelte schnell etwas darauf. »Hier, meine Handynummer, falls du noch irgendwelche Fragen hast. Ruf mich einfach an, wenn etwas ist. Egal was, okay?«
»Okay«, sagte ich und lächelte.
Zu meiner Überraschung lief Molly sogar noch röter an als vorher. Dann stürzte sie kichernd davon und sah aus, als wäre sie rundum … glücklich. Das ist das einzige Wort, mit dem ich es beschreiben kann.
Ist das nicht komisch? Dass andere Leute sich so freuen, bloß weil man sie
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