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Plötzlich durch Gewalt

Plötzlich durch Gewalt

Titel: Plötzlich durch Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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ihm. Ich nahm eine Karte aus meiner Brieftasche und gab sie
ihm. »Rufen Sie mich an, wenn Sie wieder etwas von dem Würger hören«, sagte ich.
    »Und Sie halten mit mir
Kontakt? Sie werden mich über Ihre Fortschritte informieren ?« fragte er.
    »Aber gewiß, das werde ich tun .«
    »Was ist mit Ihren Spesen?
Wünschen Sie einen Vorschuß oder eine Anzahlung ?«
    »Bei hunderttausend übernehme
ich die Spesen selbst«, sagte ich großzügig.
    Masters ging mit mir zur Flurtür . Ich blieb einen Augenblick stehen, bevor ich auf
den winzigen Vorplatz hinaustrat. »Ist das Porträt dort drüben an der Wand von Sheatham ?« fragte ich.
    »Das haben Sie bemerkt ?« Er schien sich darüber zu freuen. »Ausgezeichnet, finden
Sie nicht ?«
    »Kennen Sie das Mädchen, das
ihm für das Bild Modell saß ?«
    »Nein«, sagte er gleichgültig,
etwas zu gleichgültig. »Warum sollte ich ?«
    »Jeder Mann sollte einmal in
seinem Leben ein Mädchen wie die kennenlernen«, sagte ich leichthin.
    »Sie kennen sie also ?«
    »Nur ganz flüchtig«, antwortete
ich. »Was ist mit dem Maler Douglas Sheatham ? Kennen
Sie ihn persönlich ?«
    »Nein, wir sind uns nie
begegnet«, sagte er. Er schüttelte mißbilligend den Kopf, als ob ich ihm eine
indiskrete Frage gestellt hätte. »Ich möchte nie mehr einen Maler persönlich
kennenlernen. Es ist immer enttäuschend. Wenn man ihre Arbeit kennt, scheinen
sie mir persönlich immer irgendwie minderwertig zu sein. Darum gebe ich mir
heute große Mühe, jeder Begegnung mit einem Maler aus dem Weg zu gehen .«
    »Sie müssen eine sehr
überlegene Persönlichkeit sein, Mr. Masters«, sagte ich höflich und drückte auf
den Knopf für den Fahrstuhl.
     
     
     

6
     
    Ich schlug den Weg nach
Greenwich Village ein, den ich inzwischen so gut wie
auswendig kannte. Sheathams Porträt von Pandora in
Masters Wohnung schien mir mehr als bloß Zufall zu sein; und sein Tonfall, als
er bestritt, Pandora zu kennen, war mir etwas zu beiläufig gewesen. Wenn
er mir nichts darüber sagen wollte, würde es Pandora vielleicht tun.
    Es gelang mir, den Wagen an der
gleichen Stelle zu parken — wenn es so weiterging, wäre es vielleicht nicht
dumm, mir diesen Platz ständig reservieren zu lassen —, und ich ging zu Fuß bis
zu dem Apartmenthaus und die Treppe zu dem Atelier hinunter. Um genau zu sein:
ich ging sie nur halb hinunter. Dann blieb ich stehen.
    Auf der Treppe saß, den Rücken
mir zugekehrt, ein Mädchen. Sie drehte langsam den Kopf und sah zu mir auf. Als
ich ihr Gesicht sah, war ich mir nicht mehr ganz sicher; ich meine, ob sie ein
Mädchen war oder nicht. Sie konnte auch eine Geistererscheinung sein.
    Auf ihrem Kopf hatte sie so
etwas wie ein Vogelnest; wahrscheinlich hatte sie das komische Gebilde aus Haar
mit ihren eigenen plumpen Fingern zusammengesteckt. Sie hatte ein langes,
dünnes Gesicht mit riesigen, dunklen Augen. Als einziges Make = up hatte sie ihre Augenlider perlweiß bemalt und einen
weißen Augenbrauenstift verwendet. Sie trug einen formlosen grauen Pullover,
einen kurzen, schwarzen Rock und schwarze Strümpfe. Im übrigen hielt ich es durchaus für möglich, daß sie
tatsächlich schon achtzehn war.
    »Pardon«, sagte ich höflich und
ging an ihr vorbei.
    Ich erreichte die Ateliertür
und drückte auf die Klingel. Schon nach einer halben Minute hatte ich klar
begriffen, daß niemand zu Hause war. Die Erscheinung saß immer noch auf der
Treppe, das Kinn in die Hände gestützt, die Ellbogen auf den Knien, und starrte
finster in die fünfte Dimension.
    Ich ging zwei Stufen hinauf,
bis mein Gesicht mit ihrem auf gleicher Höhe war.
    »Wissen Sie, wo ich Pandora
finden kann ?« fragte ich.
    Ihre bleichen Lippen verzogen
sich zu einem Anflug von Verachtung. »Simpel«, sagte sie nur gleichgültig.
    »Und wie ist es mit Douglas ?«
    »Schuft«, sagte sie mit etwas
mehr Nachdruck.
    »Ich möchte wissen, wo er ist«,
bat ich geduldig. »Daß er ein Schuft ist, weiß ich schon .«
    »Nicht er«, sagte sie, »Sie .«
    »Sie nennen mich einen Schuft ?« fragte ich mit der berühmten schnellen Boydschen Auffassungsgabe.
    »Erraten, Papi«, höhnte sie,
»schmeißen Sie diesen Konfektionsanzug weg, den Sie da tragen. Er steht Ihnen
nicht .«
    »In meinem Beruf muß man wie
ein Simpel aussehen«, belehrte ich sie, »oder die Leute bringen ihre Leichen zu
einem anderen, bevor sie sie begraben .«
    Ein interessiertes Funkeln
flackerte kurz in ihren Augen auf. »Was sind Sie denn von Beruf, Papi ?«

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