Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
kann mir etwas anhaben. Gar nichts.«
Das bezweifelte ich. Der Wolf war stark, und er war quasi unsterblich, doch gegen einen gewaltsamen Tod war er nicht gefeit. So konnte auch er sterben, genau wie jedes andere Lebewesen.
»Geht jetzt«, befahl er uns leicht gereizt. »Ich bin es leid, dass ihr mich angafft wie eine verschreckte Herde Rehe. Ich werde das Tor offenhalten, bis ihr wiederkommt, nur für den Fall, dass wir denselben Weg zurück nehmen müssen. Solange wir hier nicht endgültig fertig sind, bringt mich hier keiner weg.«
»Wie überaus … hündisch«, stellte Grimalkin fest, der in diesem Moment neben Ariella erschien und den Wolf abfällig musterte. »Tapfer. Treu. Und unfassbar dämlich.«
Keuchend fletschte der Wolf die Zähne. »Das kannst du nicht verstehen, Kater«, knurrte er und zog die Lefzen hoch, um seine Verachtung auszudrücken. »Deinesgleichen hat keine Ahnung, was Treue bedeutet.«
»Als ob das etwas Schlechtes wäre.« Grimalkin rümpfte die Nase und wandte sich mit peitschendem Schwanz ab. »Wer befindet sich denn auf der richtigen Seite des Tors? Komm, Prinz.« Seine Ohren zuckten. »Wir sind nicht so weit gekommen, um uns nun kurz vor der Ziellinie aufhalten zu lassen. Der Köter hat seine Wahl getroffen. Gehen wir.«
Ein letztes Mal sah ich den Wolf an. »Ich komme zurück«, versicherte ich ihm. »Versuch so lange durchzuhalten. Wenn ich fertig bin, komme ich dich holen.«
Er schnaubte nur. Ob als Zeichen seiner Ungläubigkeit oder weil er nicht mehr genug Kraft hatte, um zu sprechen, wusste ich nicht. Ich wandte mich von ihm ab und brachte die letzten Schritte zum Ausgang des Tempels hinter mich.
Grimalkin saß inzwischen am Ende des Korridors unter einem steinernen Torbogen und hatte fein säuberlich den Schwanz um seine Pfoten gelegt. Hinter ihm konnte ich den dunklen Sternenhimmel sehen. Doch hier waren die Himmelskörper riesig und strahlend hell, als wären wir ihnen wesentlich näher als im Nimmernie. Beim Näherkommen hörte ich das Rauschen von Wasser und dann Pucks überraschten Seufzer, als wir den Kater erreichten.
Vor uns breitete sich die endlose Leere des Alls aus, unermesslich und zeitlos. Einzelne Sterne und Sternbilder funkelten über und unter uns, von winzigen Lichtpunkten bis hin zu gigantischen, pulsierenden Riesen, die so hell strahlten, dass man sie kaum ansehen konnte. Kometen schossen durch den Nachthimmel und weit, weit entfernt konnte ich den Schlund eines Schwarzen Lochs erkennen, das Milliarden von Kilometern entfernt ganze Galaxien verschlang. Riesige Felsen und Erdplatten schwebten im leeren Raum. Ich sah eine kleine Hütte auf einem Gesteinsbrocken, der unermüdlich durch das All kreiselte, und einen hochgewachsenen Baum auf einer winzigen Grassode, dessen Wurzeln sich unten durch den Boden bohrten. Hinter einer Reihe zerklüfteter Felsen schwebte ein großes Schloss zwischen den Sternen.
Zu unseren Füßen schoss der Fluss der Träume unter dem Tempel hervor und rauschte brüllend über die Kante hinunter in einen Abgrund, dessen Boden sich unseren Blicken entzog.
Ich atmete tief durch und spürte, dass meine Gefährten ebenso überwältigt waren wie ich.
Wir hatten das Ende der Welt erreicht.
DRITTER TEIL
Das Feld der Prüfungen
Ariella entdeckte die Treppe. Über den schmalen, brüchigen Pfad stiegen wir zum Fuß der Klippe hinunter und starrten dann wieder in die leere Weite hinaus. Ein Stein schwebte direkt an mir vorbei. Als ich ihn antippte, flog er trudelnd in die Unendlichkeit.
»Das Ende des Nimmernie«, sinnierte Ariella. Ihre silbernen Haare umschwebten ihren Kopf wie eine strahlende Wolke. Sie klang erneut traurig und weckte so den Impuls in mir, sie zu trösten, aber ich hielt mich zurück. »Ich frage mich, wie viele es jemals so weit geschafft haben. Wie viele haben gesehen, was wir jetzt sehen?«
»Wie viele sind über die Kante gefallen und treiben jetzt irgendwo durch das All?«, ergänzte Puck und spähte in den Abgrund. Sein einziger Halt bestand aus einem kränklichen kleinen Baum, der zwischen den Felsen wuchs. »Ständig rechne ich damit, dass ein Skelett vorbeigeschwebt kommt. Oder fällt man einfach endlos weiter?«
»Das finden wir besser gar nicht erst heraus«, erwiderte ich und musterte das Schloss, das wie eine Sirene nach mir zu rufen schien. »Wir wollen zum Feld der Prüfungen – und wir werden dort hingelangen, ohne dass jemand vom Rand der Welt stürzt oder durch das All davonschwebt. Passt
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