Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
Herausforderungen, an die vielen Male, als wir bis zum Hals in der Patsche gesteckt und uns nur mühsam wieder freigekämpft hatten. Ich wollte nicht daran denken, wie wir zusammen gelacht hatten, an die entspannte Kameradschaft zwischen mir und meinem ehemaligen besten Freund. Denn wenn ich in Puck mehr sah als nur einen Rivalen, erinnerte mich das lediglich an jenen Schwur, den ich voller Verzweiflung und Wut geleistet hatte und der in den Jahren danach erbitterte Feinde aus uns gemacht hatte.
Und natürlich konnte ich Puck nicht so sehen, ohne mich auch an sie zu erinnern.
Ariella. Die einzige Tochter des Eisherzogs vom Gläsernen Hügel kam das erste Mal anlässlich der Wintersonnenwende an den Dunklen Hof, in einem Jahr, als Mab das Elysium ausrichtete. Die Tradition gebot, dass Sommer und Winter zwei Mal in jedem Jahr der Sterblichen zusammenkamen, um politische Entscheidungen zu diskutieren, Abkommen zu unterzeichnen und sich darauf zu einigen, auch das nächste Halbjahr über nett zueinander zu sein. Oder wenigstens davon abzusehen, dem jeweils anderen Reich offen den Krieg zu erklären. Mich langweilte diese Veranstaltung zu Tode, aber als Prinz des Winterhofes und Sohn von Mab wurde von mir erwartet, Präsenz zu zeigen, also lernte ich, nach Mabs Pfeife zu tanzen und ein braves kleines Hofhündchen zu sein.
Die Abenddämmerung war noch nicht angebrochen, weshalb die Vertreter des Sommerreiches noch auf sich warten ließen. Da Mab es nicht gerne sah, wenn ich mich bis zum Beginn des Elysiums in meinem Zimmer einschloss, saß ich in einer dunklen Ecke des großen Hofes und las wieder einmal eines der Bücher aus meiner Sammlung sterblicher Schriftsteller und Poeten. Sollte jemand fragen, überwachte ich die Ankunft der letzten Gäste, doch eigentlich wollte ich nur Rowan und seiner aktuellen Schar von Hofschranzen aus dem Weg gehen, die mich stets mit affektierten, schmeichlerischen und doch rasiermesserscharfen Blicken beobachteten. Ihre Stimmen waren ein sanftes Schnurren, eine süße Melodie, und sie boten mir Gefälligkeiten, deren Hülle von reinstem Honig und Nektar war, jedoch einen Kern aus purem Gift verbarg. Immerhin war ich ein Prinz, Mabs jüngster und, wie manche behaupteten, bevorzugter Sohn. Wahrscheinlich hielt man mich für naiver und einfacher hereinzulegen als meine Brüder. Ich beherrschte das Spiel bei Hofe nicht so gut wie Rowan oder Sage, die sich wesentlich öfter hier aufhielten. Doch ich war ein wahrer Sohn des Winters und kannte die Fallstricke der Hofgesellschaft besser als die meisten anderen. Und wer versuchte, mich in ein Netz aus süßen Verheißungen und Gefälligkeiten zu verwickeln, fand sich bald in den Verstrickungen der eigenen, finsteren Versprechungen wieder.
Ich beherrschte das Spiel. Ich genoss es nur nicht.
Aus diesem Grund lehnte ich an jenem Tag an einer eisbedeckten Mauer und hatte mich in Musashis Buch der fünf Ringe vertieft, sodass ich nur am Rande wahrnahm, wie die Kutschen am Tor vorfuhren und der Adel des Winterreiches den Hof betrat. Die meisten von ihnen kannte ich zumindest vom Sehen: Die Edle zu Schneeflamme trug ein Gewand aus funkelnden Eiszapfen, die bei jedem Schritt melodisch klimperten. Der neue Herzog von Frostfall – der den alten Herzog losgeworden war, indem er für dessen Verbannung ins Reich der Sterblichen gesorgt hatte – glitt gefolgt von seinen Koboldsklaven durch den Schnee. Die Baroness des Eisigen Herzens schenkte mir ein unterkühltes Nicken, als sie an mir vorbeischritt, flankiert von ihren beiden Schneeleoparden, die fauchend und knurrend an ihren silbernen Leinen zogen.
Und dann kam sie .
Ich kannte sie nicht, was allein schon dafür sorgte, dass meine Neugier geweckt war. Sie war unbestreitbar schön: mit langem, silbernem Haar, blasser Haut und einem schlanken Körper, der zugleich zart und kräftig war. Aber die meisten von uns sind, wenn nicht übermäßig attraktiv, so doch auf jeden Fall irgendwie anziehend. Und wenn man stets von Schönheit umgeben ist, stumpfen die Sinne diesbezüglich ab, insbesondere wenn diese Schönheit überwiegend dazu dient, die Grausamkeit dahinter zu verbergen. Also war es nicht ihre Schönheit, die mich an jenem Tag so fesselte, sondern die Art und Weise, wie sie den Winterpalast ansah – in ihrem bezaubernden Gesicht war deutlich zu erkennen, wie beeindruckt sie war. Ein solches Gefühl passte nicht an diesen Ort; die meisten würden darin eine Schwäche sehen, die es auszunutzen galt.
Weitere Kostenlose Bücher