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Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht

Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht

Titel: Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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Die Adeligen konnten Emotionen riechen wie Haie das Blut – noch bevor der Tag zu Ende ginge, würde man sie verschlingen.
    Ein Teil von mir bestand darauf, gleichgültig zu bleiben, und erinnerte mich daran, dass am Winterhof jeder für sich allein kämpfte, dass es schon immer so gewesen sei – dass dieses neue, unverbrauchte Mädchen endlich einmal die Aufmerksamkeit von mir weg lenken würde. Doch trotz dieser inneren Stimme war ich fasziniert.
    Abrupt schlug ich das Buch zu und ging zu ihr.
    Als ich sie erreichte, war sie gerade dabei, sich langsam um sich selbst zu drehen, sodass sie zusammenzuckte, als ich plötzlich vor ihr stand. »Oh, wie ungeschickt von mir!« Ihre Stimme war klar und rein, wie kleine Glöckchen. »Ich habe dich gar nicht gesehen.«
    »Hast du dich verlaufen?« Es war weniger eine Frage als vielmehr ein Test, um herauszufinden, ob sie sich wehren konnte. Zuzugeben, dass man sich verirrt hatte, war am Winterhof ein schwerer Fehler; hier durfte man sich niemals bei einer Unaufmerksamkeit erwischen lassen. Die Tatsache, dass ich automatisch anfing, nach Schwächen und Lücken in ihrer Deckung zu suchen, fand ich selbst irritierend. Doch am Dunklen Hof konnte man nie vorsichtig genug sein.
    Bei meiner Frage blinzelte sie kurz und trat einen Schritt zurück, fast so, als sehe sie mich nun zum ersten Mal. Leuchtende, blau-grüne Augen sahen zu mir auf, und ich machte den Fehler, ihren Blick direkt zu erwidern.
    Ihre Augen hielten mich gefangen, sogen mich in sich auf, und mit einem Mal glaubte ich, zu ertrinken. In ihrer Iris funkelten kleine, silberne Punkte wie Sterne und ließen mich glauben, ich könnte in ihren Augen das gesamte Universum erfassen. Ungezügelte Emotionen strahlten mir entgegen, rein, klar und unverdorben von der Finsternis des Dunklen Hofes.
    Einen Moment lang sahen wir einander unverwandt an und keiner von uns wollte den Blick abwenden.
    Bis mir bewusst wurde, was ich da tat, und ich mich unter dem Vorwand umdrehte, die nächste Kutsche zu betrachten, die sich dem Tor näherte. Ich war wütend über meinen eigenen Mangel an Wachsamkeit. Ob sie es genau so geplant hatte? Ob sie vorgab, naiv und unschuldig zu sein, um so nichts ahnende Prinzen in ihre Fänge zu locken? Unorthodox, aber effektiv.
    Zum Glück schien das Mädchen ebenso erschüttert zu sein wie ich. »Nein, ich habe mich nicht verlaufen«, erwiderte sie leicht atemlos. Wieder ein Fehler, aber ich hatte bereits aufgehört zu zählen. »Es ist nur … ich meine … ich war noch niemals hier, das ist alles.« Sie räusperte sich, nahm die Schultern zurück und schien sich wieder unter Kontrolle zu haben. »Ich bin Ariella Tularyn vom Gläsernen Hügel«, erklärte sie hoheitsvoll, »und ich bin hier, um meinen Vater zu vertreten, den Herzog vom Gläsernen Hügel. Er ist zurzeit indisponiert und lässt sich entschuldigen, da er leider nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen kann.«
    Davon hatte ich bereits gehört. Anscheinend war der Herzog auf einige Schwierigkeiten gestoßen, als er in den Bergen seines Herzogtums auf Eisdrachenjagd ging. Der gesamte Hof hatte darüber spekuliert, wen er wohl als seine Vertretung schicken würde, da er angeblich nur eine Tochter hatte, die nie das herzogliche Anwesen verließ.
    Und die nun offensichtlich vor mir stand.
    Ariella lächelte wieder und strich sich nervös das Haar aus dem Gesicht, wodurch sie sofort jeden Anschein von Herrschaftlichkeit verlor. »Das habe ich doch richtig gesagt, oder?«, fragte sie ohne jede Arglist. »War das die korrekte Grußformel? Das alles ist so neu für mich. Ich war noch nie bei Hofe und möchte die Königin nicht gegen mich aufbringen.«
    In diesem Moment traf ich meine Entscheidung. Dieses Mädchen brauchte einen Begleiter, jemanden, der ihr zeigte, wie es am Winterhof zuging. Andernfalls würde sie das hiesige Adelsvolk zerfleischen und anschließend wieder ausspucken. Der Gedanke daran, dass dieses Mädchen sich in eine gebrochene, verbitterte Version ihrer selbst verwandeln und dass in diesen Augen nur noch wachsame Verachtung funkeln könnte, weckte einen seltsamen Beschützerinstinkt in mir, den ich selbst nicht ganz begriff. Wer mit Ariella Tularyn Spielchen spielen wollte, musste zunächst an mir vorbei. Und wenn es um den Dunklen Hof ging, war ich nun wirklich kein blauäugiger Neuling mehr.
    »Dann komm.« Ich bot ihr meinen Arm, was sie zu überraschen schien; sie nahm ihn trotzdem. »Ich werde dich mit ihr bekannt

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