Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
noch die feinste Neigung ihres Kopfes. Aber … das war sie nicht. Sie konnte es nicht sein. Es war ein Trick oder vielleicht eine Erinnerung, die durch unsere heftigen Gefühlsausbrüche zum Leben erwacht war. Ariella war tot. Und das schon seit langer Zeit.
»Nein«, flüsterte ich kopfschüttelnd und versuchte verzweifelt, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen. »Das … das ist nicht real. Du bist nicht real. Ariella … ist nicht mehr.« Meine Stimme brach und wieder schüttelte ich den Kopf, diesmal wütend. »Das ist nicht real«, wiederholte ich, damit ich es auch selber glauben konnte. »Was auch immer du bist, verlasse diesen Ort. Quäle mich nicht länger.«
Die verhüllte Gestalt glitt auf mich zu und zerteilte den Nebel vor ihren Füßen. Ich wollte vor ihr zurückweichen, aber mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Ich war wie eingefroren und völlig hilflos, als das Ding, das wie Ariella aussah, immer näher kam, so nah, dass ich die Silberpunkte in den Augen sehen und den zarten Duft von Nelken riechen konnte, der sie immer umgeben hatte.
Ariella musterte mich einen Moment lang, dann hob sie eine schmale, blasse Hand und legte sie an meine Wange, wo ich sie kühl und fest an der Haut spürte.
»Fühlt sich so eine Erinnerung an, Ash?«, flüsterte sie. Mir stockte der Atem und meine Knie wurden weich. Ich schloss die Augen, mochte der Hoffnung keinen Raum geben, zu groß war die Angst, sie könnte mir wieder entrissen werden. Ariella nahm meine schlaffe Hand und drückte sie an ihre Brust, sodass ich ihren Herzschlag unter meinen Fingern spüren konnte. »Oder so?«
Meine Ungläubigkeit verschwand. »Du lebst«, würgte ich hervor. Sie schenkte mir ein trauriges, gequältes Lächeln, in dem sich all die Jahre des Schmerzes und der Verzweiflung spiegelten, die mir so vertraut waren. Ihr Kummer war ebenso heftig und herzzerreißend gewesen wie meiner. »Du lebst«, hauchte ich wieder und zog sie in meine Arme.
Sie schmiegte sich an mich und flüsterte meinen Namen. Mit aller Kraft hielt ich sie fest, immer noch von der Angst getrieben, sie könnte sich im Nebel auflösen. Ich spürte ihren Herzschlag, der im Takt mit meinem dröhnte, lauschte auf ihre Atemzüge an meiner Wange und spürte, wie die altbekannte Trauer von mir abfiel und schmolz wie der letzte Schnee in der Frühlingssonne. Noch immer konnte ich es nicht fassen – ich hatte keine Ahnung, wie das möglich war, aber Ariella lebte. Sie lebte! Der Albtraum war endlich vorüber.
Mir kam es vor wie eine Ewigkeit, bis wir uns voneinander lösten, doch der Schock saß noch immer tief. Und als sie mich mit diesen Augen ansah, in denen alle Sterne des Himmels zu funkeln schienen, konnte ich umso weniger begreifen, dass sie hier vor mir stand. »Wie ist das möglich?«, stieß ich hervor, ohne sie loszulassen. Ich musste sie einfach berühren, musste fühlen, wie sie sich fest, lebendig und absolut wirklich an mich drückte. »Ich habe gesehen, wie du starbst.«
Ariella nickte. »Ja, das war keine sehr angenehme Erfahrung.« Als sie mein verwirrtes Gesicht sah, lächelte sie. »Es gibt einiges, das … ich dir erklären muss«, fuhr sie dann fort und ein dunkler Schatten schien sich auf ihr Gesicht zu legen. »Ich muss dir so vieles erzählen, Ash. Aber nicht hier.« Entschlossen löste sie sich aus meinen Armen. »Ich lebe nicht weit von hier. Hol Robin Goodfellow, dann reden wir gemeinsam über alles.«
Ein ersticktes Keuchen unterbrach uns. Als ich mich umdrehte, stand Puck ein paar Meter von uns entfernt und starrte mit offenem Mund auf Ariella. Seine grünen Augen waren weiter aufgerissen, als ich es je gesehen hatte.
»Ich … habe Halluzinationen«, stammelte er, dann huschte sein Blick zu mir. Ich sah die Hoffnung darin aufblitzen. »Ash? Sag mir, dass du sie ebenfalls siehst.«
Es war unbegreiflich, aber Ariella lächelte ihn an. »Hallo, Puck. Es ist schön, dich wiederzusehen. Und nein – du hast keine Halluzinationen. Ich bin es wirklich.« Als Puck Luft holte, hob sie abwehrend die Hand. »Mir ist klar, dass ihr beide viele Fragen haben müsst, aber dies ist nicht der richtige Ort dafür. Folgt mir, dann werde ich versuchen, euch alles zu erklären.«
Benommen holte ich mein Schwert aus dem Busch, in den ich es so grob gefeuert hatte, dann folgten wir Ariella durch den Nebel und die Dornen. Ihre durchscheinende Gestalt glitt wie ein Geist vor uns her. Jedes Mal, wenn sich die dichten Schwaden um ihren blassen Körper
Weitere Kostenlose Bücher