Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
erscheinen ließ. Nichts regte sich. Alles Leben war von den dicken, schwarzen Ranken verschluckt worden, die überall wucherten und alles erstickten. Der Boden war noch immer weich und nass, doch der dichte Nebel machte es unmöglich, zu erkennen, worauf wir unsere Füße setzten.
Mit gezücktem Schwert schob ich mich zwischen den Dornenranken hindurch. Dass mit diesem Tal irgendetwas nicht stimmte, konnte ich mehr und mehr spüren, und zwar genau unter meinen Füßen. Der Boden pulsierte vor Hass, Blut und Verzweiflung. Ich konnte spüren, wie die Finsternis dieses Ortes an mir zerrte; meine dunkle Natur, die Kälte, Skrupellosigkeit und Wut streckten sich ihr entgegen.
»Dieser Ort ist verflucht«, murmelte Puck, während ich um Selbstbeherrschung rang, um die innere Dunkelheit zurückzudrängen. »Wir sollten möglichst schnell diese Seherin finden und dann von hier verschwinden.«
» Ash «, flüsterte es zwischen den Dornen. Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Hastig wirbelte ich herum, aber da war niemand.
»Eisbubi?« Puck kam auf mich zu und musterte mich besorgt. »Ash? Alles in Ordnung?«
Und in diesem Moment wollte ich ihn töten. Ich wollte mein Schwert nehmen und es ihm in die Brust rammen, dabei zusehen, wie das Licht in seinen Augen erlischt, bevor er zu meinen Füßen zusammenbricht. Schnell wandte ich mich ab und versuchte verzweifelt, mich zu beruhigen, die kalte, tobende Wut in den Griff zu bekommen. Der Dämon in mir war erwacht und wollte sich nicht länger kleinhalten lassen, und der Kern dieser Wut zielte wie ein Speer auf Puck.
» Ash «, wisperte es wieder, und ich blickte auf.
Wenige Meter entfernt, doch durch den Nebel kaum sichtbar, glitt eine geisterhafte, leuchtende Gestalt zwischen den Büschen hindurch. Sie sah mich für den Bruchteil eines Augenblicks an, dann verschwand sie. Mir stockte der Atem.
Ich vergaß Puck, vergaß alles, was uns hierhergeführt hatte, und folgte der Gestalt in den Nebel. In den Ranken wisperten leise, unverständliche Stimmen, mehrmals hörte ich, wie sie meinen Namen zischten. Immer wieder erhaschte ich einen Blick auf die einsame Gestalt in den Büschen, aber stets glitt sie von mir fort, blieb außer Reichweite. Von irgendwoher hörte ich Puck nach mir rufen, er versuchte wohl, mir zu folgen, aber ich reagierte nicht. Schließlich lichtete sich das Gestrüpp, die unwirkliche Gestalt lief zielstrebig weiter, ohne sich umzusehen. Als sie hinter einer Biegung verschwand, hastete ich hinter ihr her …
Die Dornbüsche teilten sich und ich stand plötzlich auf einer kleinen Lichtung, die auf allen Seiten von Ranken umgeben war. Im Nebel vor mir ragte ein ausgebleichtes Skelett auf, das lang hingestreckt im Schlamm der nassen Lichtung lag. Es war riesig, das Skelett eines gigantischen Reptils, mit starken Hinterbeinen und einem langen, kräftigen Schwanz. Die Flügelknochen lagen zerbrochen neben ihm und der mächtige Kiefer war aufgerissen wie zu einem letzten, stummen Brüllen.
Ich begann zu zittern. Nicht vor Angst, sondern vor allumfassender, verzehrender Wut, gleichzeitig brannte die Verzweiflung wie Feuer in meiner Kehle. Ich kannte diesen Ort. Endlich wusste ich, wo ich mich befand. Hier, genau an dieser Stelle hatten Puck, Ariella und ich gegen einen monströsen Wyvern gekämpft und ihn getötet, bei dem Gemetzel aber einen von uns verloren. Dies war die Senke, in der Ariella gestorben war. Dies war der Ort, an dem ich geschworen hatte, Puck zu töten. Alles hatte genau hier angefangen.
Und es würde hier enden.
»Ash!« Hinter mir erklangen platschende Schritte und Puck stolperte keuchend auf die Lichtung. »Verdammt, Eisbubi, was ist denn in dich gefahren? Sag mir beim nächsten Mal gefälligst Bescheid, bevor du einfach abhaust. Man lässt doch niemanden allein in einem gruseligen, nebligen Todestal zurück.«
»Weißt du, wo wir hier sind?«, fragte ich leise, ohne mich umzudrehen. Ich spürte seine Verwirrung, hörte dann, wie er entsetzt nach Luft schnappte, als es ihm klar wurde. Ich packte mein Schwert und drehte mich langsam zu ihm um. Die Dunkelheit breitete sich in mir aus wie schwarze Tinte. Der Dämon war jetzt voll erwacht, die eisige Barriere, die ihn in Schach gehalten hatte, war gesprengt. Erinnerungen stiegen in mir auf, so frisch und schmerzhaft wie am ersten Tag: die Jagd, die wir auf Pucks Drängen hin bis in das Tal fortgesetzt hatten; das Brüllen des Monsters, als es mit tödlicher Geschwindigkeit angriff. Wie ein
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