Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
Zukunft sehen. »Selbst vor dem … Unfall … konnte ich manchmal Dinge vorhersagen. Nur kleine, unbedeutende Sachen. Meine Kräfte waren nie so stark, dass ich für eine der Fraktionen bei Hofe eine Bedrohung oder eine ernst zu nehmende Konkurrenz gewesen wäre. Mein Vater versuchte, mithilfe meiner Gabe an mehr Macht zu kommen, doch er gab es schnell wieder auf, als ihm klar wurde, dass meine Visionen nie irgendetwas Nützliches beinhalteten. An jenem Tag in diesem Tal«, fuhr sie noch leiser fort, »als der Wyvern mich verwundete, geschah etwas mit mir. Ich spürte, wie ich starb, wie mein Leben verblasste und ich ein Teil des Nimmernie wurde. Ich versank in Dunkelheit, und dann hatte ich einen Traum … eine Vision. Ich sah die Eisernen Feen und das Chaos, das sie bringen würden. Danach … ich weiß nicht. Plötzlich wachte ich auf, ganz allein, an dem Ort, an dem ich gestorben war. Und ich wusste, was geschehen würde. Die Eisernen Feen würden uns vernichten, wenn es sie nicht gäbe. Ein Mädchen. Oberons halb sterbliche Tochter, Meghan Chase. Wenn die Zeit kommen und der Eiserne König schließlich seine Pläne in die Tat umsetzen würde, wäre sie unsere Rettung – falls sie lange genug lebte, um sich diesen Herausforderungen zu stellen.«
Ariella unterbrach sich, fuhr sich wieder mit der Hand durchs Haar und richtete ihren Blick auf etwas, das ich nicht sehen konnte. »Immer wieder hatte ich Visionen von Meghan Chase«, erklärte sie gedankenversunken. »Ich sah ihre Kämpfe so deutlich, als wären es meine eigenen. Die Zukunft ist ständig im Fluss – es gibt nie nur einen deutlichen Weg, und manche meiner Visionen waren grauenhaft. Viele, viele Male sah ich sie sterben. Und jedes Mal, wenn sie unterging, rissen die Eisernen Feen das Nimmernie an sich. Der Eiserne König triumphierte, Dunkelheit senkte sich über das Feenreich und alles, was wir kennen, wurde vernichtet.«
»Aber sie ist nicht untergegangen«, unterbrach Puck ihren Bericht. »Sie hat gesiegt. Sie hat eine Armee aus Eisernen Feen zur Festung des falschen Königs geführt, die Tür eingetreten und den alten Knacker in einen Baum verwandelt, bevor sie selbst die neue Königin wurde. Dank ihr vergiften die Eisernen Feen nicht länger das Nimmernie, zumindest solange sie in ihrem Territorium bleiben. Also sicher nicht der Weltuntergang, wie du ihn vorhergesehen hast, Ari.«
Ariella nickte. »Ja, und auch solche Zukunftsvarianten habe ich gesehen, Robin Goodfellow. Aber sie war nie allein. Ihr wart immer an ihrer Seite, du und Ash. Ihr habt sie beschützt, habt ihr geholfen, sodass sie siegreich sein konnte. Letzten Endes hat sie das Böse besiegt und sich ihrem Schicksal gestellt, aber erst ihr habt ermöglicht, dass sie so weit kommen konnte. Ohne eure Hilfe wäre sie gestorben.«
Seufzend spielte Ariella mit einigen Zweigen, dann wanderte ihr Blick wieder in die Ferne. »Natürlich war auch mir eine Rolle zugedacht worden«, fuhr sie zögernd fort, als wäre diese fatal gewesen. »Ich war die Puppenspielerin und habe im Hintergrund die Fäden gezogen, habe dafür gesorgt, dass alles am richtigen Platz war, bevor sie kam. Ich habe die Zeichen gesehen, die ihrer Ankunft vorausgingen. Ich habe jene Gerüchte in die Welt gesetzt, die dazu führten, dass Leanansidhe einen Putsch plante und schließlich verbannt wurde. Ich schlug vor, dass das Mädchen einen Wächter bekommen sollte, der sie in der Welt der Sterblichen beschützte. Und ich sorgte dafür, dass ein gewisser Kater nach der halb-menschlichen Tochter des Sommerkönigs Ausschau hielt, falls sie zufällig eines Tages in seinem Baum landen sollte.«
Ich war wie betäubt. Die ganze Zeit hatte ich meine Wut und meine Trauer gegen Puck gerichtet, dabei hatten mich meine Qualen auf etwas viel Größeres vorbereitet. Und sie hatte es mir nicht einmal sagen können.
Ariella schwieg eine Weile, schloss die Augen und kniff die Lippen zusammen. »Ich wusste, dass du dich in sie verlieben würdest, Ash«, flüsterte sie. »Die Visionen zeigten mir dies bereits Jahre, bevor du sie zum ersten Mal gesehen hast. Ich wollte ja zu dir gehen und dir sagen, dass ich noch lebe. Ich wusste, was du durchmachst, ich hörte sogar von deinem Schwur, Puck zu töten. Ich habe mir so sehr gewünscht, es dir sagen zu können.« Das Zittern in ihrer Stimme zerriss mir fast das Herz. »Aber ich konnte es nicht. Ich musste zulassen, dass du ihr begegnest, dass du dich in sie verliebst und ihr Ritter wurdest.
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