Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
legten, packte mich lähmende Angst. Ich war sicher, dass sie verschwunden sein würde, wenn sich der Nebel lichtete. Puck lief schweigend hinter mir. Mir war klar, dass er ebenso mitgenommen war wie ich und zu begreifen versuchte, was wir da gerade gesehen und gehört hatten. Auch mir drehte sich noch immer der Kopf, vom Schock und den vielen Fragen, die darin herumschwirrten. Und Puck war der Letzte, mit dem ich jetzt reden wollte.
Wir folgten Ariella durch eine dichte Hecke, hinter der die Luft klar war und die Dornenranken eine schützende Mauer um eine kleine, schneebedeckte Senke bildeten. Der Schein hier schuf die Illusion von sanft fallenden Flocken, von Eiszapfen an den Zweigen und klirrend kalter Luft, aber das alles war reine Einbildung. In der Mitte der Lichtung schimmerte ein Teich, neben dem ein einzelner Holunderbaum stand, dessen Äste schwer mit den dunklen Beeren beladen waren. In den Zweigen der Hecke waren Holzborde angebracht, auf denen diverse Tiegelchen, getrocknete Pflanzen und einfache Knochenwerkzeuge lagen, und unter einem Unterstand aus Korbgeflecht und Eis stand ein schmales Bett.
Ariella ging zu einem der Regale und wischte den nicht vorhandenen Staub von zwei Gläsern, wohl um sich zu sammeln. Staunend sah ich mich auf der Lichtung um. »Hier … hier lebst du also?«, fragte ich schließlich. »Du bist die ganze Zeit hier gewesen?«
»Ja.« Ariella holte tief Luft, drehte sich zu uns um und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Das hatte sie immer getan, wenn sie nervös war. »Setzt euch doch.« Sie zeigte auf einen alten Holzblock, der schon so abgerieben war, dass er glänzte, aber ich konnte mich jetzt nicht hinsetzen. Puck offensichtlich auch nicht.
»Also, seit wann bist du denn nun hier, Ari?«, fragte er, und sofort flackerte Ärger in mir auf, weil er diesen alten Spitznamen völlig selbstverständlich benutzte. Er hatte nicht das Recht, mit ihr zu reden, als wäre nichts gewesen. Als wäre plötzlich alles wieder in Ordnung. »Warst du seit … jenem Tag hier? Ganz allein?«
Sie nickte mit einem müden Lächeln. »Natürlich lässt es sich nicht mit dem Winterpalast vergleichen, aber ich komme zurecht.«
Meine Verärgerung verwandelte sich in Wut. Ich versuchte sie zu unterdrücken, aber sie kochte immer wieder hoch, als die dunkelsten Jahre meines Lebens mich plötzlich alle zugleich wieder einholten. Ariella war hier, die ganze Zeit, und hatte nicht ein Mal daran gedacht, zu mir zu kommen oder uns wissen zu lassen, dass sie noch lebte. All die Jahre des Kampfes, des Tötens, für nichts. »Warum hast du mir nichts gesagt?«, wollte ich nun wissen. Sie zuckte zusammen als hätte sie diese Frage erwartet.
»Glaub mir, Ash, ich wollte ja …«
»Hast du aber nicht.« Mit großen Schritten ging ich zu dem Holunderbaum, ich konnte einfach nicht mehr stillstehen. Ihr Blick ruhte noch immer auf mir, als ich herumwirbelte und mit einer ausholenden Geste auf die Senke deutete. »Jahrelang warst du hier, Ari, und du bist nie zurückgekommen, hast nicht einen einzigen Versuch unternommen, mich wiederzusehen. Du hast mich glauben lassen, du wärst tot! Warum? « Ich schrie die Frage fast schon heraus, ich war dabei, die Beherrschung zu verlieren, konnte aber nichts dagegen tun. »Du hättest eine Nachricht schicken können, mich wissen lassen, dass es dir gut geht! All die Jahre dachte ich, ich hätte dich für immer verloren, ich dachte, du wärst tot. Ist dir eigentlich klar, was ich durchgemacht habe? Was wir beide durchgemacht haben?«
Puck blinzelte überrascht, als ich ihn mit einbezog. Doch ich ignorierte ihn und blieb völlig auf Ariella konzentriert, die mich zwar traurig ansah, aber nichts erwiderte. Schließlich ließ ich die Hände sinken und mein Ärger verpuffte so schnell, wie er gekommen war. »Warum hast du mir nichts gesagt?«, flüsterte ich.
»Ganz einfach: Wenn ich zurückgekehrt wäre, hättest du niemals Meghan Chase kennengelernt.«
Bei der Erwähnung dieses Namens erstarrte ich.
Ariella seufzte tief – wodurch sie um hundert Jahre zu altern schien – und strich erneut ihr Haar zurück. »Das habe ich jetzt aber furchtbar erklärt«, stellte sie fest, scheinbar mehr an sich selbst gerichtet. »Lasst es mich noch einmal probieren, diesmal von Anfang an. Beginnen wir mit dem Tag, an dem … ich starb.«
»Ich hatte schon immer leichte hellseherische Fähigkeiten«, begann Ariella und blickte dabei auf den kleinen Teich, als könne sie darin die
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