Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
eisiges Zepter. Doch ihre Augen waren leer und grausam, in ihrem Gesicht zeigte sich keinerlei Gefühl. Auf ihrem Kopf funkelte ein Schmuckreif, der gewisse Ähnlichkeit mit der Krone des Dunklen Königs hatte. Diese Königin des Winters starrte sie ausdruckslos an, bis Ariella sich schaudernd abwandte.
»Prinz«, murmelte Puck und schob sich so neben mich, dass er mir über die Schulter blicken konnte. Sein Tonfall war immer noch leichtfüßig, aber doch merkwürdig erschüttert. »Liegt das an mir, oder siehst du das auch?«
Als ich den Puck im Spiegel hinter uns sah, musste ich den Impuls unterdrücken, den echten zur Seite zu schieben und mein Schwert zu ziehen. Der Puck im Spiegel hatte die Lippen zu einem so grausamen Lächeln verzogen, dass es fast animalisch wirkte. Seine Zähne glänzten gefährlich im Licht der Flammen und seine Augen funkelten fröhlich. Aber es war eine manische Fröhlichkeit, die einem Schauer über den Rücken jagt – eine Fröhlichkeit, die nur jemand empfindet, der mit Freuden kleine Kätzchen ertränkt oder ganze Viehherden vergiftet. Dies war ein Scherzbold, dessen Streiche tödlich endeten, der Nattern in Kissenbezügen versteckte, den Wolf in den Schafpferch einlud und absolute Finsternis herbeirief, wenn man am Rand einer Klippe stand. Er trug weder Hemd noch Schuhe und wirkte wie ein wildes Tier; der Robin Goodfellow, der hin und wieder aufblitzte, wenn das Original richtig wütend oder auf Rache aus war. Der Robin Goodfellow, der uns allen Sorge bereitete, da wir wussten, dass Puck sich in so etwas verwandeln konnte.
»Du siehst es also auch, ja?«, fragte Puck leise, als ich nicht gleich etwas sagte. Ich nickte knapp. »Tja, dein Spiegelbild ist ja auch nicht gerade ermutigend, Eisbubi. Schon irgendwie komisch, uns so zu sehen, denn du scheinst gerade nichts lieber tun zu wollen, als mir den Kopf abzuschlagen.«
Ich schob ihn von mir weg und unsere Spiegelbilder taten dasselbe. »Ignoriere sie einfach«, sagte ich knapp und ging dann zu Ariella hinüber. »Es sind nur Abbilder dessen, was sein könnte. Sie haben keinerlei Bedeutung.«
»Ganz falsch.« Grimalkin erschien, setzte sich direkt vor einen der Spiegel und legte den Schwanz um die Pfoten. Seine goldenen Augen musterten mich träge. »Sie zeigen nicht das, was sein könnte, Prinz. Sie zeigen, was bereits existiert. Ihr alle tragt diese Abbilder in euch. Ihr habt euch lediglich dafür entschieden, sie zu unterdrücken. Nehmt zum Beispiel einmal den Köter.« Der Wolf kam gerade zu uns zurückgelaufen. Das Fell in seinem Nacken stand steil in die Höhe. Ariella keuchte entsetzt und drückte sich an mich, und selbst Puck stieß einen leisen Fluch aus.
Das Spiegelbild des Wolfs war so gigantisch, dass es drei aneinandergrenzende Spiegel ausfüllte. Ein riesiges, knurrendes Monster mit glühenden Augen, dem der Schaum vom Maul tropfte. Seine rote Zunge hing zwischen den übergroßen Fangzähnen hervor, und als es uns hungrig musterte, war in seinen Augen kein klarer Verstand mehr zu erkennen.
»Eine Bestie«, erklärte Grimalkin gelassen, woraufhin der echte Wolf kurz die Zähne fletschte. »Eine Bestie in ihrer reinsten, ursprünglichsten Form. Ohne jede Intelligenz, ohne Verstand, ohne Moral, nur tierische Instinkte und das Verlangen, zu töten. Nichts anderes zeigen euch diese Spiegel – euer Wesen in seiner reinsten Form. Tut sie also nicht als bedeutungslos ab. Denn dann macht ihr euch etwas vor.« Er stand auf und zuckte mit den Schnurrhaaren. »Und nun beeilt euch. Wir können nicht hier rumstehen und nichts tun. Wenn die Spiegel euch beunruhigen, ist die einzig vernünftige Reaktion, nicht hineinzusehen. Gehen wir.«
Er peitschte einmal auffordernd mit dem Schwanz und trottete dann den Korridor hinunter. Während er ohne sich noch einmal umzudrehen davonstolzierte, fiel mir auf, dass die Spiegelung der Cat Sidhe sich kein bisschen von dem echten Grimalkin unterschied. Irgendwie überraschte mich das nicht.
Als ich letztmalig in den Spiegel sah, fuhr mir ein neuer Schock in die Glieder. Da war nichts mehr, genauso wie bei den anderen. Die flackernden Lichter wurden nach wie vor reflektiert, doch unsere Spiegelbilder waren verschwunden.
»Schnell!«, kam Grimalkins Stimme aus der Dunkelheit. »Die Zeit läuft ab.«
Wir begannen zu rennen und hetzten an Hunderten von beunruhigend leeren Spiegeln vorbei. Die unsteten Flammen waren überall, Tausende von orangefarbenen Lichtpunkten an den spiegelnden
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