Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
sich schwach, doch die andere war unerbittlich. Ganz langsam hob die Eiskönigin einen schmalen, gezackten Dolch über den Kopf. Die gebogene Klinge funkelte wie ein bösartiges rotes Feuer. Der Blick aus den toten Augen war voller Hass.
»Nein!«, schrie ich und versuchte an dem anderen Puck vorbeizukommen. Doch der trat mir grinsend in den Weg und stach mit seinem Dolch nach mir. Wutentbrannt packte ich sein Handgelenk, zog ihn zu mir heran und rammte ihm mein Schwert in die Brust. Ihm traten die Augen aus den Höhlen, dann löste er sich explosionsartig in trockenes Laub auf, das um meine Füße wirbelte. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, stürzte ich mich auf die Eiskönigin, doch ich wusste, dass ich zu spät kommen würde.
In diesem Moment hallte ein Brüllen durch den Korridor. Die Eiskönigin drehte sich danach um, riss entsetzt die Augen auf und ließ hastig von Ariella ab. Sie rettete sich mit einem Sprung in einen Spiegel und entging so nur knapp dem Maul des Wolfs, das aus der Dunkelheit hervorschoss. Knurrend begegnete der Wolf, unser Wolf, meinem Blick. Seine Schnauze war blutverschmiert und er schüttelte sich heftig.
»Ari …«, keuchte ich und ließ mich neben ihr auf die Knie fallen. Ich griff prüfend nach ihrem Handgelenk und brachte sie vorsichtig in eine sitzende Position. Der Wolf blieb knurrend an unserer Seite. »Geht es dir gut? Kannst du aufstehen?«
»In einer Minute vielleicht.« Ariella hielt sich stöhnend den Kopf. »Wenn der Boden so nett wäre und aufhören würde, sich zu drehen.« Als sie mein besorgtes Gesicht sah, lächelte sie schwach. »Mach dir keine Sorgen, Ash. Ich bleibe einfach hier sitzen und schieße auf alles, was näher als zehn Meter an mich herankommt. Geh und hilf Puck, mir geht es gut.«
Widerwillig nickte ich und wandte mich dann an den Wolf: »Und was ist mit dir? Wo ist der andere Wolf?«
Unser Wolf fletschte triumphierend die Zähne.
»Billige Kopien können mir doch nichts anhaben«, knurrte er. Allerdings vermied er jede Bewegung mit seiner rechte Vorderpfote und in seinem zotteligen Fell klebte Blut. Nachdem er einen Blick über meine Schulter geworfen und den Aufruhr hinter mir gesehen hatte, fuhr er mit zusammengekniffenen Augen fort: »Das sind einige Goodfellows zu viel für meinen Geschmack. Soll ich ein paar Köpfe abbeißen?«
»Nein.« Ich legte eine Hand an seine Schulter, um ihn zurückzuhalten. »Du bist verletzt. Bleib hier und bewache Ariella. Sorge dafür, dass ihr nichts passiert. Weiche nicht von ihrer Seite, ganz egal, was mit mir geschieht, verstanden?«
Der Wolf knurrte mürrisch, nickte aber. Hastig spähte ich über die Schulter zu Puck; seine Zwillinge hatten ihn zwar umzingelt, doch er hielt weiter durch. »Nimm dich vor ihrem Spiegelbild in Acht«, warnte ich den Wolf, »es treibt sich noch irgendwo hier herum.«
»Genau wie deins«, erwiderte der. »Genauer gesagt hat es den Anschein, als würde es dich bereits erwarten.«
Ich sah mich um. Der andere Ash stand in einem Spiegel neben mir und blickte mich durchdringend an. Dann salutierte er spöttisch, wanderte durch die Spiegel und verschwand so in dem anderen Korridor.
Ich stand auf und packte mein Schwert. »Kümmere dich um sie«, befahl ich ihm, ohne mich umzudrehen. »Ich werde dem jetzt ein Ende machen.«
Vollkommen ruhig ging ich in die Richtung, wo Ash Zwei auf mich wartete. Auf dem Weg dorthin schaltete ich noch einen Puck aus, der sich aus einem Spiegel auf mich stürzte. Als zwei weitere folgten und sich grinsend vor mir aufbauten, bohrte ich jedem von ihnen kurz nacheinander einen Eispfeil in die Brust und sorgte so dafür, dass sie in Blätter und Zweige zerfielen. In dem anderen Korridor, außerhalb der Reichweite der tödlichen Pfeile, wartete Ash der Winterkönig auf mich. Die Wände und Spiegel um ihn herum waren mit Reif überzogen.
Mein Ebenbild musterte mich fast schon mitleidig. Sein Schwert hielt er locker an der Seite. »Was soll das, Ash?«, fragte er kalt und umfasste mit einer Geste den Korridor, in dem wir standen. »Was tun wir hier? Zum Menschen werden? Eine Seele erringen?« Er lachte humorlos und schüttelte den Kopf. »Seelen sind nicht für jemanden wie uns bestimmt. Denkst du denn wirklich, wir könnten jemals etwas so Reines wie eine Seele erlangen, bei dem ganzen Blut, das an unseren Händen klebt?« Abrupt kniff er die Augen zusammen und schien bis in mein Innerstes zu blicken. »Sie ist für uns verloren, Ash«, flüsterte
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