Plötzlich Fee - Das Geheimnis von Nimmernie: Band 5 - (German Edition)
abzuwenden. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte: etwa seinen Kopf, der plötzlich aus dem Holz hervorschoss und mich angrinste? Trotzdem hatte ich Angst, etwas zu verpassen, wenn ich den Baum auch nur eine Sekunde aus den Augen ließ.
Die junge Dryade nickte. »Ja, er lebt noch. Nichts hat sich geändert. Robin Goodfellow liegt in traumlosem Schlaf in Erwartung des Tages, an dem er in die Welt zurückkehren wird.«
»Und wann wird das sein?«, fragte ich, während ich mit den Fingern über den Baumstamm strich.
»Das wissen wir nicht. Vielleicht in ein paar Tagen. Vielleicht in ein paar Jahrhunderten. Vielleicht zieht er es aber auch vor, nie mehr zu erwachen.« Die Dryade legte eine Hand an den Stamm und schloss die Augen. »Er ruht bequem, ohne Schmerzen. Du kannst nichts für ihn tun, außer geduldig zu warten.«
Da ich ihre Antwort nicht gerade befriedigend fand, presste ich meine Hand erneut fest gegen den Baum und schloss die Augen. Der Schein der Sommerfeen hüllte mich ein, die Magie meines Vaters Oberon und des Sommerhofes, die Kraft von Wärme, Erde und allen Lebewesen. Ich streichelte den Baum, spürte die von der Sonne erwärmten Blätter und das Leben, das durch ihre grünen Adern floss. Ich fühlte, wie Tausende von Insekten über den Stamm krabbelten und sich in das Holz fraßen, und den schnellen Herzschlag der Vögel, die in den Zweigen träumten.
Ich schob mich tiefer hinein, unter die Oberfläche, durch das weichere, wachsende Holz, bis in das Herz des Baumes.
Und da war er. Natürlich konnte ich keine physische Gestalt sehen, aber ich spürte ihn, spürte seine Gegenwart direkt vor mir, ein heller Fleck von Lebensenergie vor dem Herzstück des Baumes. Ich fühlte, wie das Holz seinen dünnen, schlaksigen Körper schützend umschloss und hörte das leise Schlagen seines Herzens. Ich registrierte, wie er dalag: völlig schlaff, das Kinn auf der Brust und die Augen geschlossen. Im Schlaf wirkte er viel kleiner, irgendwie zerbrechlich und durchscheinend wie ein Geist, als könnte der leiseste Hauch ihn davontragen.
Ich tastete mich weiter vor und streckte mich, um ihn zu berühren, streichelte ihm mit körperlosen Fingern über die Wange und schob ihm die wilden, roten Locken aus der Stirn. Aber er rührte sich nicht. Ohne das leise Pulsieren seines Herzschlags im Inneren des Baumes hätte ich geglaubt, er wäre bereits tot.
» Es tut mir so leid, Puck «, flüsterte ich, oder vielleicht dachte ich es auch nur, tief im Herzen der riesigen Eiche. » Ich wünschte, du wärst jetzt bei mir. Ich habe Angst, und ich habe keine Ahnung, was mit mir passieren wird. Ich brauche dich, bitte komm zurück. «
Falls er mich gehört hatte, zeigte er es nicht. Kein Flattern der Lider, kein Zucken des Kopfes oder überhaupt irgendeine Reaktion auf meine Stimme. Puck blieb schlaff und reglos, das Echo seines Herzschlags drang ruhig und gleichmäßig durch das Holz. Mein bester Freund war so weit weg, so unerreichbar, und ich konnte ihn nicht zurückholen.
Deprimiert und mit einer seltsamen Übelkeit im Bauch zog ich mich aus dem Baum zurück und schlüpfte wieder in meinen Körper. Als die Geräuschkulisse meiner Umwelt wieder einsetzte, musste ich die Tränen zurückhalten. So nah. So nah bei Puck und doch so weit weg.
Ash wirkte sehr ernst, als ich ihn ansah. Er wusste, was ich getan hatte, und konnte sich denken, was dabei herausgekommen war.
»Er ist noch am Leben«, sagte er tröstend. »Mehr konntest du nicht erwarten.« Als ich mich schluchzend abwandte, seufzte er. »Mach dir nicht zu viele Sorgen um ihn, Meghan. Es war schon immer extrem schwierig, Robin Goodfellow zu töten.« Er sagte das halb gereizt, halb amüsiert, so als würde er aus Erfahrung sprechen. »Ich bin mir fast sicher, dass Goodfellow eines Tages wie aus dem Nichts auftauchen wird, und zwar genau dann, wenn du es am wenigsten erwartest. Hab Geduld.«
»Geduld«, ließ sich eine belustigte Stimme irgendwo über meinem Kopf hören, »hat noch nie zu ihren Stärken gehört.«
Überrascht schaute ich hoch und versuchte, zwischen den Ästen der Eiche etwas zu erkennen. Zwei vertraute, goldene Augen hingen dort in der Luft und spähten auf mich herab. Mein Herz machte einen Sprung.
»Grimalkin?«
Die Augen blinzelten träge und der Körper eines großen, grauen Katers erschien auf einem der untersten Äste. Es war tatsächlich Grimalkin, der Feenkater, dem ich bei meiner letzten Reise ins Nimmernie begegnet war. Grim hatte mir
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