Plötzlich Fee - Das Geheimnis von Nimmernie: Band 5 - (German Edition)
uns die Waffe gegeben, die wir gebraucht hatten, um den Feind zu besiegen und Ethan zurückzuholen.
Die junge Dryade trat neben mich und musterte die sterbende Eiche. »Es ist immer noch Leben in ihr«, murmelte sie mit einer Stimme, die wie Wind in den Blättern klang. »Ja, sie stirbt. Sie ist inzwischen zu schwach, um ihren Baum zu verlassen, deshalb schläft sie und träumt von ihrer Jugend. Doch noch ist sie nicht verschwunden. Es wird noch lange dauern, bis sie vollständig vergeht.«
»Es tut mir so leid«, flüsterte ich.
»Nein, Meghan Chase.« Die Dryade schüttelte mit einem leisen Rascheln den Kopf und ein glänzender, kleiner Käfer kroch über ihr Gesicht und verschwand in ihren Haaren. »Sie wusste es. Sie wusste schon immer, was geschehen würde. Der Wind erzählt uns von diesen Dingen. Genau wie er uns berichtet hat, dass du dich im Moment in großer Gefahr befindest.« Sie sah mich mit ihren schwarzen Augen durchdringend an. »Du solltest nicht hier sein«, sagte sie bestimmt. »Es ist schon sehr nah. Warum bist du gekommen?«
Ich bekam eine Gänsehaut, doch ich schüttelte das beklemmende Gefühl ab und begegnete ihrem Blick. »Ich bin wegen Puck hier. Ich muss ihn sehen.«
Das Gesicht der Dryade wurde weich. »Ah. Ja, natürlich. Ich werde euch zu ihm bringen, doch ich fürchte, du wirst enttäuscht sein.«
»Das ist mir egal.« Plötzlich war mir kalt, trotz der warmen Sommernacht. »Ich will ihn einfach nur sehen.«
Die Dryade nickte und trat ein paar Schritte zurück, schwankend wie ein Blatt im Wind. »Hier entlang.«
2
Das Herz der Eiche
Puck – oder der berüchtigte Robin Goodfellow, wie er in Shakespeares Sommernachtstraum genannt wurde –, hatte einmal noch einen anderen Namen. Einen menschlichen Namen, der einem schlaksigen, rothaarigen Jungen gehörte, dem Nachbarn eines schüchternen Mädchens auf einer Farm im Sumpf von Louisiana. Robbie Goodfell hatte er sich damals genannt, und er war mein Klassenkamerad, Vertrauter und bester Freund gewesen. Er hat sich immer um mich gekümmert, wie ein großer Bruder. Albern, sarkastisch und mit übermäßigem Beschützerinstinkt war Robbie … irgendwie anders als alle anderen. Wenn er nicht da war, konnten sich die Leute kaum an ihn erinnern, also daran, wer er war oder wie er aussah. Es war fast so, als würde er in ihrem Gedächtnis einfach verblassen, und das obwohl er an allem, was in der Schule so schieflief, irgendwie beteiligt war: Mäuse in den Tischen, Sekundenkleber auf den Stühlen und einmal sogar ein Alligator in der Toilette. Niemand hatte ihn jemals in Verdacht, nur ich wusste Bescheid.
Trotzdem war es ein Schock, als ich herausfand, wer er in Wirklichkeit war: ein Diener König Oberons, damit beauftragt, in der Welt der Sterblichen ein Auge auf mich zu haben. Und mich vor jenen zu beschützen, die einer halb menschlichen Tochter Oberons schaden wollten. Außerdem sollte Puck dafür sorgen, dass ich im Hinblick auf die Feenwelt unwissend blieb und weder etwas über meine wahre Natur erfuhr noch über die Gefahren, die sich daraus ergaben.
Als Ethan entführt und ins Nimmernie gebracht wurde, machte das Robbies Pläne, mich blind und unwissend zu lassen, ziemlich zunichte. Entgegen Oberons striktem Befehl versprach er, mir bei der Rettung meines Bruders zu helfen, doch für seine Loyalität zahlte er einen hohen Preis. Während eines Kampfes mit einer der Eisernen Feen – einer neuen Feenspezies, die durch Technologie und Fortschritt entstanden ist – wurde er angeschossen und wäre fast gestorben. Ash und ich brachten ihn hierher, in den Stadtpark, und die Dryaden steckten ihn in einen ihrer Bäume, damit er schlafen und seine Wunden heilen konnte. Dort befand er sich nun in einem komaartigen Tiefschlaf, und die Dryaden erhielten ihn am Leben, aber nicht einmal sie wussten, wann er wieder aufwachen würde. Falls er überhaupt wieder aufwachte. Wir hatten ihn hier zurücklassen müssen, als wir losgezogen waren, um Ethan zu retten. Und seither verfolgte mich mein schlechtes Gewissen.
Ich presste meine Hand gegen den bemoosten Stamm. Ob sein Herzschlag zu spüren war? Eine Schwingung, ein Seufzen? Irgendeine Kleinigkeit, irgendwas , das mir sagte, dass er noch da war. Doch ich spürte nichts außer dem Lebenssaft des Baumes, dem Moos und der rauen Borke. Puck befand sich, falls er noch lebte, außerhalb meiner Reichweite.
»Bist du sicher, dass er da drin ist?«, fragte ich die Dryade, ohne den Blick von dem Stamm
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