Plötzlich Fee - Winternacht - Kagawa, J: Plötzlich Fee - Winternacht - The Iron Fey, Book 2: The Iron Daughter
Obstsalat.
Leanansidhe stand am Ende des Tisches und musterte uns alle mit finsteren Blicken. Ihre Augen glühten wie Bernstein, ihre Haare peitschten um ihr Gesicht und die Kerzen in den Leuchtern flackerten wild. In diesem Moment war sie so fremdartig und furchteinflößend, dass
mir fast das Herz stehen blieb. Dann seufzte sie, strich sich das Haar zurück, griff nach ihrer Zigarettenspitze und nahm einen tiefen Zug. Als sie den Rauch ausstieß, kehrte alles wieder zur Normalität zurück, einschließlich der Fähigkeit, uns zu bewegen. Doch niemand, und am allerwenigsten die Dunkerwichtel, hatte noch irgendwelche aggressiven Absichten.
»Nun?«, fragte sie schließlich und sah die Wichtel an, als wäre nichts passiert. »Was steht ihr Lakaien da so rum? Mein Stuhl wird sich nicht von allein bewegen.«
Der größte Dunkerwichtel, ein stämmiger Kerl, der einen Angelhaken in der Nase trug, schüttelte sich und kroch vor, um Leanansidhes Stuhl vom Tisch wegzuziehen. Die anderen folgten seinem Beispiel, und auch wenn sie aussahen, als würden sie uns am liebsten mit unseren eigenen Armen zu Tode prügeln, schoben sie wortlos unsere Stühle zurecht. Derjenige, der Eisenpferd bediente, zeigte der Eisernen Fee knurrend die Zähne und schoss dann so schnell wie möglich davon.
»Ich muss mich für meine Lakaien entschuldigen«, sagte Leanansidhe, als wir alle saßen. Sie legte die Fingerspitzen an die Schläfen, als hätte sie Kopfschmerzen. »Es ist heutzutage so schwer, gutes Personal zu finden. Das könnt ihr euch nicht vorstellen, meine Lieben.«
»Sie kamen mir irgendwie bekannt vor«, meinte Puck und nahm sich beiläufig eine Birne von der Tischmitte. »Heißt ihr Anführer nicht Rasierklingen-Dan oder so? Hat während der Koboldkriege für etwas Unruhe gesorgt, als er versuchte, Informationen an beide Seiten zu verkaufen, nicht wahr?«
»Eine unschöne Geschichte, mein Lieber.« Leanansidhe schnippte zweimal mit den Fingern und ein Heinzelmännchen mit einem Weinglas und einer Flasche löste sich aus den Schatten und kletterte auf einen Hocker, um ihr Glas zu füllen. »Jeder weiß, dass man die Koboldstämme besser nicht betrügt. Da kann man genauso gut mit einem Stock in einem Ameisenhaufen herumstochern.« Sie nippte an dem Wein, den das Heinzelmännchen ihr eingeschenkt hatte, und seufzte. »Sie haben mich um Asyl gebeten, nachdem sie sich mit jedem Koboldstamm im gesamten Wilden Wald überworfen hatten, also lasse ich sie arbeiten. So sind hier die Regeln, mein Lieber: Wer bleibt, muss arbeiten.«
Ich spähte in die Richtung, in der die Dunkerwichtel verschwunden waren, und spürte, wie ihre hasserfüllten Blicke mich aus der Dunkelheit durchbohrten. »Aber hast du keine Angst, dass sie durchdrehen und jemanden fressen könnten?«
»Das werden sie nicht, wenn sie wissen, was gut für sie ist, Liebes. Und du isst ja gar nichts. Iss!« Sie zeigte auf die Speisen und plötzlich wurde mir bewusst, wie hungrig ich war. Ich griff nach einer Platte mit winzigen glasierten Küchlein. Inzwischen war ich so ausgehungert, dass mir selbst mögliche Illusionen und Zauber egal waren. Wenn ich dadurch giftige Pilze oder Grashüpfer in mich reinstopfte, dann war es eben so. Unwissenheit war ein Segen.
»Während man hier ist«, fuhr Leanansidhe fort und sah uns lächelnd beim Essen zu, »lässt man all seine persönlichen Fehden ruhen. Das ist meine zweite Regel. Ich kann ihnen leicht die Zuflucht verweigern, aber wo wären sie dann? Zurück in der Welt der Sterblichen, wo sie langsam dahinsiechen oder mit den Eisernen Feen kämpfen, die nach und nach jeden Ort und jede Stadt dieser Welt verpesten. Nichts für ungut, mein Lieber«, fügte sie hinzu und schenkte Eisenpferd ein Lächeln, das genau das Gegenteil besagte. Eisenpferd starrte vor sich auf den Tisch und antwortete nicht. Er rührte das Essen nicht an, was wohl daran lag, dass er entweder Leanansidhe nichts schuldig bleiben wollte oder keine normale Nahrung zu sich nahm. Zum Glück schien Leanansidhe es nicht zu bemerken. »Die meisten entscheiden sich dafür, dieses Risiko nicht einzugehen«, erklärte sie weiter und fuchtelte mit ihrer Zigarettenspitze in die Richtung, in der die Dunkerwichtel verschwunden waren. »Die Lakaien zum Beispiel: Gelegentlich steckt einer von ihnen die Nase wieder in die Welt der Sterblichen. Die wird dann prompt von einem Söldner der Kobolde abgehackt und er kommt wieder bei mir angekrochen. Bei den Exilanten, Halbblutfeen
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