Ploetzlich Liebe
erreiche. Alles ist hellblau und beige – von den kleinen dicken Handtüchern bis zur Handlotion – und es beruhigt mich schon, den schwachen Jasminduft einzuatmen. Ich hab es geschafft, den größten Ansturm zu umgehen, und kann sofort in einer der Kabinen verschwinden, aber als ich die Tür schließe, höre ich eine Gruppe von Mädchen hereinkommen.
»Gott, du musst mich retten, Venetia.« Hochnäsig geblähte Vokale driften zu mir herüber, ich meine Portias Stimme zu erkennen. Obwohl die Hälfte der Mädchen hier redet, als hätten sie sich Murmeln in den Mund gestopft. Ich hatte My Fair Lady immer für die totale Übertreibung gehalten. Welch ein Irrtum.
»Anthony redet mich ins Koma.«
Jawoll, das ist Portia. Statt zu spülen und rauszugehen, warte ich ab.
»Aber er ist der Schriftführer«, sagt jemand. »Wenn du dich für die Wahl ins Komitee bewirbst, wirst du ihn brauchen. «
»Das musst du mir nicht sagen«, klagt Portia. »Was glaubst du, warum ich mir seine langweiligen Geschichten angehört habe? Zwischen ihm und dieser dummen Amerikanerin war dieses Dinner absolut öde.«
Es wird gekichert, mit Stoff geraschelt und Kosmetika geklappert. Ich bleibe still stehen und spüre wieder diesen Druck in der Brust.
»Das Kleid ist doch unmöglich! Es ist ja nicht so als …« Hinter ihnen schließt sich die Tür, aber aus irgendeinem masochistischen Instinkt heraus husche ich aus der Kabine und folge ihnen auf den Flur hinaus. Ich weiß, ich werde nichts Gutes zu hören kriegen, aber ich will einfach wissen, was sie wirklich denken.
In sicherer Entfernung folge ich Portias rosa Kleid, bis sie an einem Desserttisch stehen bleibt. Der große Saal ist voll, auf der Tanzfläche drängen sich die Paare, die zu den Klängen des Streichquartetts langsamen Walzer tanzen, andere stehen in dichten Trauben zusammen und reden. In der Mitte der Erfrischungstische wird eine komplizierte Champagnerfontäne errichtet, an die manövriere ich mich heran und nutze den hohen Gläseraufbau als Deckung, wobei ich mich bemühe, das Gespräch zu belauschen.
»Man sollte doch meinen, dass bei der Zulassung ein gewisser Standard eingehalten wird, besonders in einem College wie Raleigh.«
»Vielleicht ist das ein Sozialprogramm.« Es wird gemein gekichert.
»Gott, wisst ihr noch, diese andere Amerikanerin, Rhiannon? Die hat in einem Semester praktisch die Hälfte ihrer Kommilitonen durchgevögelt.«
»Was ist bloß los mit denen, dass die so …«
»Solche Schlampen sind?«
»Ich hatte die Absicht, das taktvoller auszudrücken.« Noch mehr Gelächter.
Ich ziehe mich zurück. Das war ein Fehler, das weiß ich. Auch ohne es von einer Horde hochnäsiger Zicken vorbuchstabiert
zu kriegen, fühle ich mich schon wie die anrüchige Außenseiterin.
»Ich hätte ja Verständnis, wenn sie versuchen würde, sich einen reichen Ehemann an Land zu ziehen«, fährt Portia fort, ihr hochmütiger Ton durchbohrt die Hintergrundgeräusche wie ein Torpedo, der abgeschossen wurde, um mich zu verwunden. »Aber ihr wird doch sicher klar sein, dass Männer solche Mädchen nicht heiraten!«
Ich geh immer noch rückwärts, aber plötzlich stoße ich gegen etwas Festes. Es kracht und ich wirbele herum und stehe vor einem Kellner im Frack, sein silbernes Tablett ist leer und Scherben liegen zwischen uns auf dem Boden.
»Omeingott, das tut mir leid!«, hauche ich in einer Champagnerpfütze.
»Das macht doch nichts«, behauptet er, aber als ich aufschaue, starren Portia und ihre Freundinnen mich an, die blassen Gesichter zu entzücktem Grinsen verzogen.
»Hast du das gesehen?« Eins der Mädchen lacht laut und wie ein Esel und das erregt mehr Aufmerksamkeit als mein kleines Missgeschick. Andere Leute schauen herüber und sofort kriege ich ein Flashback zu der Situation auf meinem Campus, nach der Sache mit Tyler. Das Geflüster. Die Häme. Dieses schreckliche schwarze Loch in meinem Bauch. Damals und jetzt vermischt sich in meinem Kopf, bis ich nur noch eines weiß, ich bin erledigt. Es ist vorbei.
In dem Wust von Erinnerungen fällt mir wieder ein, wie man geht, und langsam ziehe ich mich aus der Menge zurück. Ich habe keinen Mantel dabei, Gott sei Dank, deshalb muss ich auch nicht vor der Garderobe anstehen, nur ich
und meine kleine perlenbestickte Tasche stürmen fluchtartig zum Ausgang. Ich laufe noch an ein paar livrierten Türstehern vorbei – und dann bin ich draußen in der eiskalten Nacht.
So viel zu meinem märchenhaften
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