Ploetzlich Liebe
rumliegen. Scheint ganz so, als würde ich genau zur richtigen Zeit meinen Abgang machen.
Ich stapfe quer durch den vermüllten vorderen Wohnraum und dabei fällt mir was ins Auge. Auf einem Couchtisch steht ein aufgeklappter Laptop, auf dem Monitor sind Fotos in einer Art Raster zu sehen. Ich riskiere einen gezielteren Blick.
PSI Delta Häschen ist die Überschrift dieser Seite. Bei den Fotos handelt es sich um Aufnahmen von Mädchen, einige in teilweise entkleidetem Zustand, die vor der Kamera posieren, andere offensichtlich im Tiefschlaf – und daneben steht ein Name und eine Bewertung.
MANDY LEE, im Besitz von OWEN MICHAELS
> 6/10
> Sie kratzt!
CASSIE WILCOX, im Besitz von BRETT ALLSTON
> 9/10
> heiße Nummer
Ich kapiere, was das Raster soll, und weiche einen Schritt zurück. Sie führen eine Tabelle, halten fest, wo sie gepunktet haben. Angewidert verziehe ich das Gesicht. Typisch für diese Verbindungstypen, vermute ich, aber ich weiß wirklich nicht, warum Sam bei denen wohnt. Er ist so viel …
Und dann seh ich es, ein Stück weiter unten auf der Seite. Ein Foto von mir, mit geschlossenen Augen, das Haar auf bekannten dunkelblauen Laken.
EMILY LEWIS, im Besitz von SAM RICH.
> 4/10
> Engländerin, das sagt wohl alles.
Ich kann es nicht fassen.
Im Rückwärtsgang entferne ich mich vom Monitor, knalle
die Haustür hinter mir zu und renne praktisch die Straße runter. Wie konnte er nur? Ohne Rücksicht auf das Donnern in meinem Kopf oder dass ich wie eine Irre aussehen muss in den Klamotten von gestern Abend, jogge ich davon. Was ist los mit diesen Jungs, warum tun die so, als wäre Sex die einzige große Errungenschaft der Menschheit? Erst Sebastian, der mich mit Anspielungen und Drängen beinahe so weit hatte, dass ich schon nachgeben wollte, um es hinter mich zu bringen. Und jetzt Sam, der mich behandelt, als wäre ich nichts als eine weitere Kerbe in seinem Bettpfosten – wo ich doch genau genommen noch nicht mal in seinem Bett gewesen bin.
Kann ich Charaktereigenschaften nur besonders schlecht einschätzen oder sind die alle so?
Völlig außer Atem drossele ich schließlich mein Tempo. Vier von zehn Punkten. Vier von zehn. Es ist ja nicht so, dass ich mich irgendwie besser fühlen würde, wenn er mir eine schmeichelhaftere Bewertung für meine imaginären sexuellen Leistungen gegeben hätte, aber diese niedrige Punktzahl ist Salz in meiner nun klaffenden Wunde. Seh ich denn aus wie jemand, der schlecht im Bett ist? Kopfschüttelnd halte ich mich selbst zurück, ehe ich mich von Gedanken dieser Art total runterziehen lasse, und wende mich wieder dem wichtigen Thema Sam zu. All diese süßen Bemerkungen und das Netter-Kerl-Getue waren nichts als Lüge, die ganze Zeit muss der über mich gelacht haben. Und ich bin drauf reingefallen.
Eigentlich ist heute nach der Mittagspause das erste Treffen mit Ryan und der Filmgruppe, aber das schaffe ich auf
keinen Fall, nicht mal nach dem großen Latte mit einem extra Espresso, den ich auf dem Weg zu meinem Zimmer mitnehme. Ich weigere mich, meine spärlichen Energiereserven auf Scheißkerle und ihre Scheißkerltricks zu verschwenden, deshalb stürze ich mich nach einer Dusche und einem Happen zu essen auf die »Recherche« und verbringe den Tag mit Eis von Ben & Jerry’s und all den schlechten Liebeskomödien, die ich mir bisher erspart hatte. Reese. Kate. Julia. Die müssen sich nie so was bieten lassen.
Vier von zehn. Die Website. Seine Beurteilung. Das alles trägt dazu bei, dass ich mich billig fühle, aber schlimmer noch als das … naiv. Hat er mich rausgepickt, weil ich so unbedarft wirke? War die Tatsache, dass ich so offensichtlich nicht hierhergehöre, Teil meiner Anziehungskraft? Morgan oder Brooke würden sich nie so verarschen lassen. Sogar in volltrunkenem Zustand sind diese Mädels lebenstüchtiger als ich. Ich mag ja in der Lage sein, einzuschätzen, wie die Aussichten auf politische Konsolidierung in einer aufstrebenden Demokratie sind, aber sie wissen dafür, wie man mit Jungs umgeht, wie man herumalbert und Spaß hat.
Wieder ist ein Film zu Ende, ich hänge mich vor meinen Computer, mein Neid auf die munteren kalifornischen Mädels wächst. Die fühlen sich hier wohl in der Welt der Sonnenbräune und gebleichten Zähne. Das ist ihr Territorium, nicht meines. Mit Stundenplänen und Studienplänen hab ich alles soweit zusammengehalten, aber sobald ich einen Schritt in die Welt wage, wird mein ganzes Kontrollsystem über den
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