Ploetzlich Liebe
wie Gelächter. Ich rede weiter, streiche aber unauffällig über meinen Körper und versichere mich, dass alle Knöpfe zugeknöpft sind und mein Rock auch nicht hochgerutscht ist. Ich hab mal so was im Fernsehen gesehen und ich schwöre, seitdem hab ich Höllenangst davor, aufzustehen und feststellen zu müssen, dass der hintere Teil von meinem Kleid fehlt.
Nee, alles da, wo es sein soll.
»Das Frauencenter ist also nicht nur für Gesundheitsfragen von Bedeutung.« Ich merke, wie ich schneller werde, ich will es hinter mich bringen. Das Flüstern ist zu leisem Gemurmel geworden, das sich im ganzen Raum verbreitet. Ich drehe
mich zu Carrie um, die nur die Achseln zuckt und mir bedeutet, doch weiterzureden. Ich schlucke. »Es könnte auch als Werbung für Oxford gesehen werden, mit der unterstrichen wird, dass Oxford das Image verdient, eine der modernen, vorausdenkenden Universitäten dieser Welt zu sein.«
»Darf ich wohl um Ordnung bitten?«, unterbricht ein Vorstandsmitglied. Kichern bricht aus, das schnell von total gespieltem Hüsteln übertönt wird. Ich versteh nicht, was hier passiert, aber je schneller ich fertig werde, desto eher kann ich raus aus diesem Raum und weg von diesen Leuten. Ich beende meine Rede auf Autopilot, werde rot und stolpere über meine Worte, während ich zu checken versuche, was hier läuft. Diese Art von Flüstern und Lachen erinnert mich wieder an die Zeit, als das Video rausgekommen ist. Da konnte ich nicht mal einen Raum betreten, ohne die Blicke der Leute zu spüren, die mich verurteilten und …
Nein.
Plötzlich kann ich nicht mehr atmen. Mühsam quäle ich noch einen letzten Satz raus und dann versuche ich irgendeinen Hinweis dafür zu finden, dass ich paranoid bin. Ganz gleich was für ein Zeichen. Aber da fällt mein Blick auf zwei Mädchen in der ersten Reihe, die mich anstarren, mit großen Augen und diesem fies verzogenen Mund, der nur eines bedeuten kann: Klatschgeschichte der Sonderklasse.
Und dann weiß ich es.
»Was ist los?«, zischt Carrie mir zu. Ich zucke nur die Achseln.
Eine der Bibliothekarinnenladys haut wieder mit dem
Hammer auf den Tisch. »Wir machen jetzt eine kurze Pause. Ich hoffe, diese Unruhe setzt sich nicht fort, wenn wir die Sitzung fortführen.« Giftig späht sie über den Brillenrand.
»Komm.« Carrie zerrt mich den Gang entlang und auf den Flur hinaus, der Rest der Gruppe folgt uns auf den Fersen.
»Was zum Teufel läuft hier?«, sagt Mary und macht die Tür hinter uns zu.
»Keine Ahnung.« DeeDee schüttelt den Kopf. »Alles ging so gut und dann fing Natasha mit ihrer Rede an und …« Sie dreht sich um, um mir auf den Zahn zu fühlen. »Weißt du irgendwas?«
Ich zucke mit den Schultern. Meine Eingeweide haben sich verknotet und alles ist so eng, dass ich keine Luft kriege.
»Finde raus, was los ist.« Uma schickt Louise wieder in den Raum. Langsam lehne ich mich zurück an die Wand. Sie ist kalt, aber ich hab schon kein Gefühl mehr, ist also egal. Ich glaube, was ich auch mache, es ist alles egal.
»Jetzt bist du aber wirklich blass.« Carrie mustert mich eindringlich. »Mach dir keine Sorgen, das war nicht deine Schuld. Was immer da auch los sein mag. Du hast deine Sache gut gemacht.«
Wir warten, über uns flackert die Neonröhre. Für mich ist es wie das Warten auf die Hinrichtung. Melodramatisch, ich weiß, ist aber irgendwie wahr. Bald wird Natasha tot sein und ich werde wieder Tasha sein. Die betrunkene, schlampenmäßige Tasha, die ihre Klamotten nicht anbehalten kann. Vielleicht war es dämlich von mir, zu denken, ich könnte ihr einfach so entkommen mit nichts weiter als anderen Klamotten und ein paar tausend Kilometern Abstand.
Ich hab echt geglaubt, das hätte funktioniert. Ich dachte, ich wäre fertig mit ihr.
Und dann kommt Louise wieder raus, mit Professor Elliot im Schlepptau.
»Natasha?« Louise schaut mich verwirrt an. Sie hält mir eine Zeitung hin mit dem Oxford-Student -Schriftzug auf der Titelseite. Ich nehme sie, denn ich kann nichts tun, um das hier abzuwenden.
»Tasha?«, wiederholt sie und ich zucke zusammen, mir ist ganz schlecht. Tasha bin ich schon seit Monaten nicht mehr gewesen.
»Was ist das?« Carrie nimmt mir die Zeitung aus der Hand, schlägt sie auf – und alles ist zu Ende.
FRAUENKAMPAGNE VON PROMISKANDAL UNTERGRABEN lautet die Schlagzeile. Und darunter – das Foto, das ich in- und auswendig kenne: meine nackte Brust vor der (versteckten) Kamera, während ich rittlings auf Tylers Schoß
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