Ploetzlich Liebe
»Hör nicht auf das, was die sagen.«
»Ich wünschte, das könnte ich …« Natashas Stimme zittert. »Aber wenn sie nun recht haben? Was, wenn ich die Kampagne wirklich ruiniert hab? All die Arbeit und … die Leute brauchen dieses Center.«
»Der Verwaltungsrat gibt nichts auf blöden Klatsch, vertrau mir.«
»Aber was soll ich nun machen? Die Gruppe, das waren meine Freunde, aber jetzt …« Wieder schnieft sie. »Die werden nie wieder mit mir reden.«
»Ihr Verlust.« Ich umklammere meine Zehen, damit sie warm bleiben, und versuche sie zu trösten, irgendwie. »Du bist zehn Carries wert, Whirlpool hin oder her.«
»Das brauchst du nicht zu sagen.«
»Ich weiß, aber es stimmt. Sieh doch mal, was du erreicht hast: Du bist nach Oxford gegangen! Du hast richtig gute Essays geschrieben und du hast dich für eine wichtige Kampagne eingesetzt.« Meine Begeisterung soll den Kontinent zwischen uns überwinden. »Du bist der mutigste Mensch, den ich kenne, Natasha. Ich musste mir nur die Haare färben und ein paarmal zu spät kommen, und trotzdem hab ich’s vergeigt.«
»Nun hör aber auf.« Sie schnieft, aber mit einem ganz kleinen Lächeln in der Stimme. »Oder wir sind am Ende beide total fertig.«
»Und wieder ein Punkt für das internationale Austauschteam. «
»So, und nun erzähl mir mal, was mit Ryan los war.« Es hört sich an, als ob Natasha in ihrem Zimmer herumwandert. »Das wird Morgan überhaupt nicht gefallen.«
»Und genau deshalb erzähle ich es ihr auch nicht«, sage ich mit gedämpfter Stimme, denn mir ist wohl bewusst, dass nur ein kurzer Flur zwischen unseren Zimmern liegt. »Stell dir doch bloß mal vor, was sonst los wäre? Sie würde mir im Schlaf die Haare abschneiden oder sonst was.«
»Gute Entscheidung«, meint Natasha. »Sie schwört, sie habe mal bei einem Mädchen den Festiger gegen Enthaarungscreme ausgetauscht, weil die was mit ihrem Freund angefangen hatte.«
»Ich kauf mir lieber neue Sachen«, murmele ich finster.
Natasha lacht. »Also, lässt du das für den Rest der Zeit hinter vorgehaltener Hand laufen? Sind ja nur noch zwei Wochen, Gott sei Dank.«
»Zwei Wochen«, wiederhole ich langsam. Das kam jetzt derart herangeschlichen, dass es mir kaum bewusst geworden ist.
»Und? Ryan? Vergiss nicht, ich brauche Details, mit denen ich mich von meinem Elend ablenken kann.«
Froh über den Themenwechsel kuschele ich mich unter meine Decke. »Da gibt es nicht viel zu erzählen«, fange ich ein bisschen verschämt an. Ich bin nicht an solche Bekenntnisse unter Mädchen gewöhnt. Noch habe ich je etwas zu bekennen gehabt. »Wir haben uns geküsst – endlich – und dann wurde mir klar, dass Morgan jeden Augenblick hereinkommen konnte. Seitdem hab ich noch nichts wieder von ihm gehört, aber eigentlich sollten wir heute den ganzen Tag an den Änderungen arbeiten.«
»Er wird anrufen«, sagt Natasha mit einer Zuversicht, die ich nur zu gern teilen würde.
»Kannst du nicht wissen.« Einerseits hoffe ich, dass er es tut, andererseits weiß ich, dass damit alles nur noch komplizierter wird.
»Aber ja. Ich find es erstaunlich, dass er so lange gebraucht hat, um den ersten Schritt zu machen, aber nachdem das geschafft ist, wird er auch total dranbleiben. Er ist einer von den Guten.«
»Wart mal, du hast das kommen sehen?«
»Na klar doch.« Sie lacht. »Ehrlich, Em, schon als du so wütend auf ihn warst, wusste ich, da würde was passieren.«
Ich blinzele. Wie konnte ihr etwas so klar sein, das mich völlig überrascht hatte? »Danke für die Auskunft.«
»Ihr musstet euer eigenes Ding durchziehen.«
»Du meinst, so wie du und Will?« Ich ziehe seinen Namen in die Länge. Sie seufzt.
»Hab heute Abend kein Wort von ihm gehört. Bei dem Meeting hab ich ihn gesehen, aber als die Gruppe mich dann lange genug angebrüllt hatte, war er weg.« Ihre Stimme wird leiser. »Glaubst du, er hasst mich jetzt auch?«
Ich atme tief. »Hoffentlich nicht.«
Schweigen.
»Weißt du, was komisch ist?«, sage ich und lehne meinen Kopf an die Wand. »Ich dachte, mir würde es schlechter gehen. Ich weiß, sie soll ja meine Freundin sein und so … und ich fühl mich auch schuldig, aber weißt du … irgendwie war es mir das wert.«
»Das höre ich dir an. Aber erzählst du mir denn keine Details?
Ich kann gar nichts gegen dieses Grinsen tun, das sich bei dem Gedanken an Ryan, an seine Arme, seinen Mund, auf meinem Gesicht breitmacht.
»Nein.« Ich reiße mich zusammen. »Tut mir leid,
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