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Plötzlich Prinz - Das Erbe der Feen

Plötzlich Prinz - Das Erbe der Feen

Titel: Plötzlich Prinz - Das Erbe der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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Mondlicht glänzte auf ihren schwarzen Haaren. Sie hatte die dicke Jacke abgestreift und sah nun selbst aus wie eine Fee, zart und grazil, mit einem strahlenden Lächeln. Als sie die Hand nach mir ausstreckte, stockte mir kurz der Atem. »Komm und tanz mit«, drängte sie.
    Ich trat demonstrativ einen Schritt zurück. »Nein, danke.«
    »Ethan!«
    »Ich will nicht mit den Feen tanzen«, wehrte ich mich und wich noch weiter zurück. »Das steht auf der Liste der Dinge, für die meine Mitschüler mich verprügeln würden.«
    Kenzie zeigte sich unbeeindruckt. Sie verdrehte nur die Augen, schnappte sich meine Hand und zerrte daran, als ich mich weiterhin sträubte.
    »Du tanzt ja nicht mit den Feen«, erklärte sie, als ich einen letzten Versuch startete, mir meine Würde zu bewahren, »sondern du tanzt mit mir.«
    »Kenzie …«
    »Machoman«, mahnte sie und zog mich an sich. Ich sah ihr in die Augen, und mein Herz machte einen gefährlichen Hüpfer. »Leb einfach. Für mich.«
    Mit einem resignierten Seufzer gab ich auf.
    Und tanzte mit den Feen.
    Wenn man sich erst einmal entspannte, war es ganz einfach. Die Feenmusik sorgte fast automatisch dafür, dass man sich in ihr verlor, man wollte nur noch die Augen schließen und sich von ihr verschlingen lassen. Trotzdem bewahrte ich mir einen winzigen Rest an Willenskraft, während ich mich mit Kenzie in der Mitte des Kreises drehte und wir uns vor und zurück wiegten, umgeben von den übermenschlich schönen Sommerfeen.
    Kenzie drückte sich fest an mich, legte ihren Kopf an meine Brust und schlang ihre Arme um meinen Bauch. »Du bist doch eigentlich ganz gut«, murmelte sie. Inzwischen war mein Herzschlag so laut, dass er ihr bestimmt in den Ohren dröhnte. »Lernt man beim Kali auch tanzen?«
    Ich schnaubte empört. »Nur die Art Tanz mit Stöcken und Messern«, erwiderte ich leise und versuchte die Wärme zu ignorieren, die sich in meinem Bauch ausbreitete. Es wurde immer schwieriger, einen klaren Gedanken zu fassen. »Aber an meiner alten Schule war der Besuch eines Tanzkurses vorgeschrieben. Beim Abschlussball mussten wir in Abendgarderobe kommen und in der Turnhalle vor der ganzen Schule Walzer tanzen.«
    »Autsch!« Kenzie kicherte fröhlich.
    »Das war noch nicht mal das Schlimmste. Der halbe Kurs hat an dem Tag krankgefeiert, sodass nur ich und ein paar andere Jungs da waren, und dann haben sie mich natürlich gezwungen, mit sämtlichen Mädchen zu tanzen. Meine Mom hat heute noch Fotos davon.« Ich sah auf ihren Scheitel hinunter. »Und wenn du das jemals irgendwem erzählst, werde ich dich töten müssen.«
    Wieder lachte sie, was allerdings durch mein Shirt etwas gedämpft wurde. Meine Hände ruhten auf ihren schmalen Hüften, und ich spürte die Bewegungen ihres Körpers. Und während die betörende Musik uns einlullte, wusste ich, dass ich mich – falls uns überhaupt etwas von diesem Abend im Gedächtnis blieb – immer an genau diesen Moment erinnern würde: Kenzie im Mondlicht, eng an mich geschmiegt und so graziös tanzend wie eine Fee.
    »Ethan?«
    »Ja?«
    Zögernd strich sie mit den Fingern über meine Rippen, ohne zu ahnen, was das bei mir auslöste. »Wie wäre es jetzt mit dem Interview?«
    Ich stieß hörbar den Atem aus. »Was willst du wissen?«
    »Du hast gesagt, die Menschen in deiner Umgebung würden immer verletzt, und dass ich nicht die Einzige wäre, die deinetwegen von den Feen aufs Korn genommen wurde«, begann sie. Mir drehte sich fast der Magen um. »Würdest du … kannst du mir sagen, was passiert ist? Wer war diese andere?«
    Stöhnend schloss ich die Augen. »Darüber rede ich nicht gerne«, murmelte ich schließlich. »Es hat Jahre gedauert, bis die Albträume endlich aufgehört haben. Ich habe es noch nie jemandem erzählt …«
    »Vielleicht hilft es dir ja«, sagte Kenzie leise. »Wenn du es dir mal von der Seele redest, meine ich. Aber wenn du nicht willst, kann ich das verstehen.«
    Ich hielt sie fest, lauschte auf die Musik und beobachtete die Feen, die um uns herumwirbelten. Natürlich erinnerte ich mich an jenen Tag: an das Grauen und die Angst, dass es jemand herausfinden könnte; die erdrückenden Schuldgefühle, weil ich wusste, dass ich es niemandem sagen konnte. Würde Kenzie mich hassen, wenn ich ihr davon erzählte? Würde sie dann endlich begreifen, warum man sich von mir besser fernhielt? Vielleicht wurde es ja wirklich Zeit, es jemandem zu sagen. Womöglich war es sogar befreiend, das Geheimnis preiszugeben,

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