Plötzlich Royal
wollte das Interview auf der erhöhten Fläche des Victoria-Denkmals machen, damit die Kamera gut die Größe der Demonstration und die Palastfassade einfangen könne. Wir gingen also die dem Palast abgewandten Stufen hinauf zum Denkmal, das übergroß in der Mitte dieser runden Plattform stand. Auch hier hielten sich viele Menschen auf, die unserer Journalistin vor der Aussicht standen. Deshalb entschied sie, wir sollen die vier Stufen unmittelbar am Denkmalsockel auch noch hochsteigen. Die dort sitzenden Leute zogen es vor, nun Platz zu machen, um nicht mit auf dem Bild zu sein. Peter und John blieben auf der ersten der vier Stufen des Sockels stehen, um von dort alles im Auge zu behalten. Der Südafrikaner deutete mit einer energischen Geste Timm an, er solle ebenfalls als Leibwächter aufpassen, während ein Beleuchter des Fernsehteams zwei Scheinwerfer aufstellte.
Der grauhaarige, schlanke CNN-Reporter stand auf dem Dach seines Übertragungswagen und blickte zu uns herüber. Er schien nun zu kapieren, wer da auf den Stufen des Denkmals neben dem Kameramann stand. Doch es war zu spät, sowohl für ihn als auch für uns würde die Live-Schaltung gleich beginnen. Simon räusperte sich kurz und schon signalisierte ein rotes Licht an der Kamera, dass wir auf Sendung waren. Die Reporterin moderierte an. Ein Sprecher im Studio stellte ihr über ihren Knopf im Ohr die Frage, wie groß die Demonstration sei. Zur Antwort schwenkte ihr Kameramann vor ihr weg, um die Leute ins Bild zu bringen, während sie die Teilnehmerzahl auf viele zehntausend einschätze. Plötzlich ratterte mit ohrenbetäubendem Lärm eine Gewehrsalve über den Platz.
Der Gefechts-Kommandoposten
Alles schrie, viele rannten von Denkmal hinunter, auch vom Kreisverkehr stoben die Menschen weg in Richtung Mall, Constitution Hill oder in den Green Park. Wieder ratterte eine Salve. Die Sky-News-Reporterin starrte regungslos. Simon, der neben ihr stand, zog sie energisch in die Deckung des Denkmalsockels.
„Es kommt vom Palast“, rief John und drängte mich und Simon dichter an den Sockel. „Timm, Waffen!“, befahl er. Der Beleuchter des Fernsehteams rannte geradewegs in Richtung Mall, wurde von der panisch fliehenden Menge mit hinweggetragen.
Peter zog seinen unentschlossen zwischen Flucht und der Nähe zu seinem Vater schwankenden Sohn energisch zu uns in die Deckung des Sockels. Wieder ratterte eine Salve über den Platz. Ein paar Leute lagen bereits schreiend am Boden. „Das sind Kalaschnikows! Deckung!“, schrie ich den Kameramann an, der noch immer aufrecht filmte, obwohl am Denkmal die Kugeln surrend und pfeifend abprallten. Ich riss ihn heftig herunter. John zerrte Sir Wilfried, der sich ja auch als Interviewpartner zur Verfügung gehalten hatte, tiefer in die Deckung des Denkmals. Schon wurde vom Palast her wieder geschossen. Eine Garde erwiderte das Feuer, dann hörte ich mehrere Handgranatenexplosionen beim Torgitter des Palasts.
Peter zückte sein Handy, drehte sich mit entsetztem Gesichtsausdruck zu mir um.
„Das Mobilfunknetz wird gestört!“
„Kevin, Funk der Garde!“, mahnte John. Der Junge zog seinem Vater das handflächengroße Funkgerät aus der Tasche. Doch im Gerät war nur ein lautes Rattern zu hören. Auch diese Frequenz wurde offensichtlich blockiert.
Ich erinnerte mich an die Warnung in Cramers Schreiben, der Attentäter würde mich nicht im Schlaf überraschen, sondern möglichst vor den Kameras der Welt töten. Diese Kameras waren in der Tat live dabei und eine von ihnen drückte sich gerade mit mir gemeinsam gegen den Sockel und ihre Frequenzen wurden nicht gestört. John blutete an der Wade, er musste von einem Abpraller verletzt worden sein. Neben ihm und Sir Wilfried kauerten noch ein schwarzer Bursche, Peters Sohn und der rothaarige Sam. Alle drei waren nur etwa sechzehn Jahre alt.
„Wo bleibt die Polizei?“, fragte aufgeregt die Reporterin und wandte sich dann an ihren Kameramann: „Du bleibst live drauf!“
Kevin und Sam versorgten für ihr Alter erstaunlich gekonnt Johns Bein, während Timm unsere Maschinenpistolen auspackte.
„Es wird ein paar Minuten dauern, bis die Garden oder die Polizei hier sind. Die Bobbies im Park sind unbewaffnet. Der Lord Chamberlain hat zu einem sehr zurückhaltenden Polizeieinsatz gemahnt, da die Demonstration eine Herzensangelegenheit Seiner Majestät sei“, wusste Sir Wilfried und teilte es damit über die Kamera auch gleich der ganzen Welt mit.
Nun wurde am Palast
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