Plötzlich Royal
noch immer wie eingeschlagen in meinem Unterarm steckte. Der Kamerascheinwerfer hielt nun voll drauf, als ich ihr das zeigte.
„Steckt im Knochen der Elle. Sind Sie gegen Tetanus geimpft?“
„Ja! – Heiligsverdiene nonemol!“, schrie ich auf. Sie hatte mir den Nagel mit einem kräftigen Ruck herausgezogen. Das tat weh.
„Er ist der König!“, protestierte der auf einer Kiste sitzende Sir Wilfried.
„Er ist ein gesunder, junger Mann, mehr interessiert mich nicht!“, entgegnete die Ärztin.
Ich rieb mir den Unterarm und ging einmal im Kreis, bis der Schmerz nachließ, während die Journalistin der Ärztin meinen Nagel aus den Fingern nahm.
Doch schon traf der nächste Patient ein. Peter und sein Sohn Kevin trugen Timm in den Zwischenraum. Kevin stand vor Anstrengung kurz vor dem Hyperventilieren und musste sich hinlegen, Timm war immerhin bei Bewusstsein und stützte sich am Sanitätspanzer ab. Die Ärztin klemmte eine Stablampe zwischen ihre Zähne und zog ihm etliche Nägel aus dem Rucksack und zwei aus dem Po.
„Glück gehabt! Ohne den Rucksack wäre einer der Nägel bestimmt in die Wirbelsäule eingedrungen“, stellte sie fest.
„Waffe weg! Wer sind Sie!“ Einer der Soldaten hatte bemerkt, dass Timm seine Maschinenpistole in der Hand hielt, und leuchtete ihm direkt ins Gesicht.
„Agent MI6-2010-07 … ich kann mich an die verfluchte Nummer nicht erinnern“, presste Timm raus.
„Er gehört zu mir“, klärte ich auf und war dankbar, dass uns allen nichts Ernsteres passiert war.
„Er ist die Meerjungfrau? Hätte ich ihm nicht zugetraut“, wunderte sich der Soldat und fügte sogleich ein reumütiges „Verzeihung, Sire“ hinzu.
Doch schon trugen zwei Frauen einen Teenager zu uns. Sie ließen den Bewusstlosen auf eine Bahre sinken. Die Militärärztin schob Timm beiseite, prüfte beim Bewusstlosen Reflex und Puls und entschied rasch. „Intensivbett!“ Ein Soldat und ein Sanitäter trugen den Teenager in den Panzer hinein. „Commander Patricks, wir brauchen endlich einen Krankenwagen oder besser einen Hubschrauber“, befahl die Ärztin einem der Männer.
„Woher soll ich in dem Chaos einen Helikopter herkriegen?“, protestierte der angesprochene Offizier verzweifelt, doch die Ärztin hatte bereits die Heckklappe geschlossen. Die Damen bekamen von Patricks ein Taschentuch, um sich Blut abzuwischen, das bestimmt vom Verletzten stammte. Der Anblick traf mich wie ein Schlag in den Bauch. Wie viele von den Demonstranten, mit denen ich vor kaum einer Stunde noch plauderte, lebten noch?
Ein Korporal schnauzte die Fernsehleute an, sie sollen die Scheinwerfer ausmachen, das verrate unsere Stellung.
„Sire, Commander, ich bin Korporal Beinz, Sir. Wenn Sie erlauben, ich habe einen neuen Lagebericht.“ Der Soldat am Feldtelefon riss mich aus meiner Starre. Ich musste mich wieder hundert Prozent auf die weiterhin kritische Situation konzentrieren.
„Eine unbekannte Anzahl Terroristen hat Earl Binnester und Sir Baron gefangen“, fuhr der Korporal fort. Die Verbrecher behaupten, auch Sie, Sire und den Prince Consort bald exekutieren zu wollen. Sie haben wirre Forderungen: Abzug aus Afghanistan und die wieder Inkraftsetzung des Sexual Offences Act von 1967 als Gegenleistung dafür, den Earl, das Personal und den Palast nicht zu sprengen. Keine Ahnung, was die beiden Forderungen miteinander zu tun haben, Sire. Aus dem Palast wird nach wie vor auf alles geschossen, was sich bewegt, aber es gibt auch Feindberührungen in den Parks um den Palast.“
„Sind wir noch drauf?“, fragte die Reporterin ihren Kameramann.
„Ja, die Verbindung zum Übertragungswagen steht“, bestätigte der, „allerdings nur noch reduzierte Auflösung, Mikrofon ist offen. Wir sind immer live drauf gewesen, egal, wie mies das Bild war.“
Die Reporterin steckte ihr Mikrofon wieder bei der Kamera ein, das sie irgendwann beim Rennen herausgerissen hatte, schüttelte kurz ihr Haar und begann mit einem Bericht: „Wir sind jetzt hier an einem geheimen Ort in ein paar hundert Meter Entfernung vom Palast, König Sascha und sein Simon sind wohlauf, Sir Wilfried keucht, aber hält den Daumen hoch. Ebenso sind drei weitere Leute unverletzt in unserer Gruppe. Jedoch begegneten wir auf unserer Flucht hierher vielen Verletzten, die wegen des andauernden Beschusses aus dem Palast nicht geborgen werden können. Gerade jetzt ringt eine Militärärztin im Sanitätspanzer neben mir um das Leben eines jungen Mannes. Wir mussten
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