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Plötzlich Royal

Plötzlich Royal

Titel: Plötzlich Royal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
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Journalist fordert in seinem Blog eine Bombe, die selektiv Schwule und Lesben tötet, und erhält dafür Rückendeckung von einem Spitzenpolitiker, der ein landesweites Verbot der sogenannten Homo-Propaganda durchsetzen will. Damit würde die Diskriminierung in künftigen Generationen zementiert, Kinder würden zu Minderheitenhassern erzogen. Wohin das führt, sehen wir in Uganda. Dort titelt die Zeitung Rolling Stone in fetten Lettern: ‚ Hang them!‘, und meint uns Schwule. Ein solcher Missbrauch demokratischer Meinungsfreiheit ist die Saat, die als Terror aufgeht.
    Niemand ist aus einer Laune heraus homosexuell, geht aus Verhütungsgründen mit dem gleichen Geschlecht ins Bett oder weicht aus Not zu einem Mann aus, weil er sich nicht traut, eine Frau anzusprechen. Es ist eine Veranlagung außerhalb des freien Willens. Deshalb sind wir Homosexuellen nicht so etwas wie eine Sekte, sondern eine Minderheit mit angeborener Veranlagung. Ich bin stolz auf das Vereinigte Königreich, das in den vergangenen zehn Jahren so viel für Homosexuelle getan hat, und danke den Regierungen und dem britischen Volk sowie den Realms und Staaten des Commonwealth mit vergleichbar fortschrittlicher Gesetzeslage.
    Wir alle dürfen die Opfer dieser schrecklichen Nacht nicht vergessen. Unsere Gedanken sind bei denen, die heute so unendlich leiden müssen und in diesen Stunden so traurige Nachricht über ihre Lieben erhalten. Ich versichere die Familien und Freunde meines zutiefst empfundenen Beileides. Der Ruf Ihrer Familien wird nicht beschmutzt, wenn Ihre Tochter, Ihr Sohn, Ihre Schwester, Ihr Bruder, Ihre Tante oder Ihr Onkel an dieser Demonstration für LGBT-Rechte teilnahm. Ganz im Gegenteil! Sie sind uns Vorbilder für Zivilcourage, auf die Sie als Angehörige, Wir als Souverän, das ganze britische Volk und die zivilisierte Welt stolz sein können. Wir alle werden die Erinnerung an die Verstorbenen in unseren Herzen tragen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Keine Fragen, bitte.“
    Ich trat vom Mikrofonbündel zurück und wollte nur so schnell wie möglich weg.
    Eine Suite konnte das Ritz nicht frei machen, doch es fand sich trotzdem ein edles Zimmer mit Bad. Edel, bis auf die Panzerplatten, die man vor das Fenster gestellt hatte, und bis auf die Gardisten, die im Flur bewaffnet Posten bezogen.
    „Logieren wie in Bagdad“, meinte Simon dazu.
    Er warf seine Maschinenpistole auf das Doppelbett und setzte sich. Ich kontrollierte aus antrainiertem Pflichtgefühl die Entladung. Es war aber alles in Ordnung. Nein, alles war absurd! Wie sollte das überhaupt weitergehen? Keiner von uns beiden hatte das Bedürfnis zu reden. Für jeden der Demonstranten, Nothelfer, Gardisten und Reporter war das Erlebte kaum zu verkraften. Jeder musste damit klarkommen und sich damit trösten, dass man gegenseitig füreinander da war.
    Simon und ich lagen noch lange schweigend wach, bis das elementare Schlafbedürfnis über das Grübeln und die Schuldgefühle siegte.
    Ich fuhr aus einem Albtraum hoch und blickte aufrecht im Bett sitzend mich um.
    Das Tageslicht drang als langer, schmaler Streifen zwischen den beiden Platten am Fenster hindurch. Simon hatte schon geduscht, stand an diesem Spalt und schaute auf den Green Park hinunter. Ich ging zu ihm und er machte mir etwas Platz am Spalt. Unten war Polizei sowie einiges Parkpersonal, ein Sarg wurde gerade in einen Leichenwagen geschoben.
    Später, als wir nach unten ging, musste ich daran denken, dass bei unserem ersten Aufenthalt eine vornehm-neugierige Stimmung im Frühstücksaal geherrscht hatte, doch nun lag ein Schatten auf allem. Jeder Schritt der anderen Gäste war zu hören, jedes Klimpern mit Geschirr störte, und die mit Maschinenpistolen bewaffneten Männer an allen Ecken sowie der Trauerflor an den Wänden verstärkten diese Stimmung.
    Ich hatte keinen Appetit, begnügte mich mit Kaffee und etwas Toast und zog mich mit der Times in einer Ecke zurück. Dort überflog ich den großen Aufmacher über das Attentat. Ich wunderte mich, dass es die Zeitung noch schaffte, nach Mitternacht eine Berichterstattung unterzubringen. Die hatten bestimmt die halbe Auflage wegschmeißen müssen. Meine Rede gegen die Homophobie war hier zum Dank und dem Kondolieren an die Opfer verkürzt worden.
    Es dauerte nicht lange, bis sich Grant zu uns an den Tisch setzte. Er hatte nicht geschlafen. Sein Stoppelbart und die Schatten unter den Augen waren dafür deutliche Zeichen. Grant hatte Plastiktüten einer

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