Plötzlich Royal
Boutique dabei und Fotokopien der Kondolenzschreiben. Er sei selbst einkaufen gegangen, da die Polizei niemanden in den Palast lasse. Grant hatte pechschwarze Jeans im eher braven Levi’s-501-Schnitt dabei und zwei fast schwarze Anzug-Jacketts. Hemden hätten wir ja vom Hotel. Dann steckte uns Grant noch einen kleinen Union Jack auf die eine Kragenseite und reichte uns eine Tüte mit schwarzen Lackschuhen. Während sich Timm, der ebenso unausgeschlafen wie Grant war, zu uns setzte, erzählte mein Privatsekretär leicht beleidigt, dass er vorhin in der Downing Street erfahren habe, dass Timm für den MI6 arbeite und nun auch Leibwächter-Funktionen übernehmen müsse. Der junge Mann werde von nun an eine kleine Pistole bei sich tragen und ein spezielles Polizeihandy verwenden.
Timm schaute die Pistole einen Moment misstrauisch an, steckte sie aber trotzdem in die Hosentasche.
Mr Grant faltete einen Zettel mit Notizen auf und las vor: „Die Anzahl der Todesopfer betrage 105, teilte der Polizeichef vor einer Stunde mit, es würden 350 Verletzte stationär behandelt, 30 davon intensivmedizinisch. Über die nur ambulant behandelten Verletzten gäbe es keine verlässlichen Zahlen. Unter den Toten sind auch Rettungskräfte. Scotland Yard geht davon aus, dass sich alle professionellen Terroristen selbst in die Luft gesprengt haben; ihre Zahl ist noch nicht klar. Es konnten fast alle vom Personal vor der Explosion gerettet werden. Earl Binnester ist wohl tot. Der Botschafter Simbabwes wurde ausgewiesen, da seine Botschaft die Terroristen mit falschen Diplomatenpässen versorgt hat und ihnen wohl noch auf andere Weise zu Diensten war. Von der Polizei werden zur Stunde die Redaktionsräume des rechtsreligiösen Evangelical Sentinel durchsucht. Das Blatt wollte Ihnen vor zwei Jahren einen Missbrauchsskandal andichten. Earl Binnester saß bei dieser rechtsreligiösen Zeitung im Verwaltungsrat, Sir Geoffrey hatte dort eine Kolumne über die Missionierung im südlichen Afrika. Er veranlasste auch einen Mitarbeiter des Evangelical Sentinel , die Fotokopie von Timms Pass zu entwenden, damals in Ihrem Hotel in Soho. Ein fundierter Bericht wird in ein paar Tagen vorliegen.“
Grant spulte den neuesten Stand monoton herunter. Er war verständlicherweise nicht gut drauf. „Was ist mit meiner Rede von gestern Nacht?“, fragte ich ihn.
„Was würden Sie an meiner Stelle antworten?“
„Zu politisch für den König.“
Er nickte. „Warum tun Sie es dann?“
„Um Luther zu zitieren: ‚Hier stehe ich und kann nicht anders.‘“
Vielleicht war Grant zu müde oder zu aufgewühlt, um sich weiter zu streiten, mir war es eigentlich auch recht und möglicherweise war mein Luther-Zitat doch vermessen. Grant entschuldigte sich, er müsse nachfragen, wie ich nun nach Windsor Castle gelangen könne.
Simon meinte, ich solle doch etwas essen, ein leerer Magen verstärke nur die schlechte Stimmung. Also ging ich zum Büffet. Etwas Müsli mit Milch und dazu ein Kaffee war zwar kaum ein königliches Frühstück, aber dafür das, was mir jetzt gerade passte.
„Morgen, Majestät. Krasse Rede gestern. Putin sei wütend, heißt es.“
Mein Löffel fiel mir vor Schreck ins Müsli. Ich hatte Jack Kern gar nicht bemerkt, da er sich herausgeputzt hatte, um Ritz-tauglich zu sein.
„Wirst du den Bischof feuern, der sagte, ihr Schwulen seid am schlechten Wetter schuld?“, fragte Kern weiter und schöpfte sich ebenfalls etwas „Schweizer Frühstücks-Müesli“, wie das Hotel die Mischung nannte, in eine Schale.
„Wieso darfst du dich hier überhaupt bedienen?“, entgegnete ich gereizt.
Der Paparazzo schüttete mit einem Grinsen jede Menge Zucker über sein Müsli und ließ mich respektlos ein paar Sekunden warten, bis er sich zu einer Antwort herabließ.
„Mein Chef hat mir eine Besenkammer gesponsert. Kostet hier 300 Pfund, Freundschaftspreis, musste die vom Hotel noch extra betonen. Ich brauche eine Story, na, komm! Fergie hat wegen ihres drohenden Privatkonkurses deinen Vater angerufen und dabei vergebens den Hörer vollgeheult. Hat sie dich auch schon angepumpt oder bis jetzt nur den Burger?“
„Blödsinn. War dir das Attentat denn nicht genug Story?“
„War schon auf CNN.“ Jack Kern folgte mir und setzte sich ohne zu fragen an unseren Tisch. Ich ließ ihn vorerst gewähren.
„Wir machen bestimmt eine Gedenkveranstaltung im Park. Details weiß ich nicht.“
Obwohl Kern nicht gerade ein begeistertes Gesicht machte,
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