Plötzlich Royal
Balmoral verharrte und dadurch den Volkszorn auf sich gezogen hatte, würde die britische Öffentlichkeit bestimmt auch jetzt empfindlich reagieren, wenn ich mich hinter den Mauern von Windsor Castle verstecken würde.
Nun scheuchte ich die beiden an die Computer. Sie sollten der Presse mitteilen, dass ich mich morgen bei den niedergelegten Blumen zeigen wollte. Zudem musste die Polizei informiert werden. Es sei ein längeres Händeschütteln mit Trauernden geplant, und für die Presse solle ein Termin um zehn Uhr am Victoria Memorial stattfinden. Während die beiden schrieben, musste ich zuerst Earl Amble anrufen und ihn bitten, als Lord Chamberlain meinen Auftritt vorzubereiten. Anschließend versuchte ich, Cramer zu erreichen, er solle den Älteren der Windsors erklären, es würde sich gut machen, wenn nicht nur wir vier jungen Männer mit Kate uns dort zeigen würden, sondern auch jemand von ihnen. Ich selbst hatte nicht den Mut, in Bagshot Park bei Prinz Edward oder gar bei Prince Philip in Balmoral anzurufen.
Ich erhielt kein Rückruf vom Premier. So schlief ich mit der Sorge ein, dass wir morgen vielleicht nur zu fünft den Toten unsere Reverenz erweisen würden. Simon und Timm meinten, so wichtig seien die alten Royals heute nicht mehr, doch so sehr ich mich bemühte, konnte ich ihre Einschätzung nicht teilen.
Glad to Be Gay
Kurz konnte ich in die Morgensonne blinzeln, bevor sie von der aufziehenden Bewölkung geschluckt wurde. Es war erst sechs Uhr früh. Simon schlief auch nicht mehr, also traute ich mich, den Fernseher anzumachen und den britischsten aller Sender einzuschalten.
Der Aufmacher waren Bilder vom Vorabend. Es gäbe zwei Stellen, an denen Blumen niedergelegt werden: am Victoria Memorial und bei zwei provisorischen Totenkreuzen, nur ein paar Meter vom Lady-Di-Gedenkstein entfernt. Die Polizei schätzte, dass etwa nur gut halb so viele Leute wie damals beim Tod von Prinzessin Diana Blumen niedergelegt hatten. Trotzdem seien viele erschüttert darüber, wie viele junge friedliche Menschen hier gezielt erschossen worden seien.
Die Sicherheitsmaßnahmen der Polizei seien rigoros, wurde berichtet. Sie habe den südlichen Teil des Green Parks bis zum Buckingham-Palast bis auf drei kontrollierte Zugänge abgesperrt. Anders als beim Tod der Prinzessin der Herzen besitze die Trauer um die Toten auch eine politische Komponente, die konservative Kreise nicht schätzen würden. Deshalb müsse jeder durch Waffen- und Sprengstoffdetektoren.
Kritisch sei die Situation geworden, als eine holländische Gruppe Homosexueller am Victoria Memorial ein Blumengesteck mit einem recht großen Regenbogen ablegen wollte. Dies sei einem wohl eher konservativ eingestellten Polizisten zu viel gewesen. BBC zeigte eine Amateuraufnahme, wie der Polizist die Fahne aus dem Gesteck herausriss und in einen Papierkorb warf. Daraufhin kam es zum Tumult, hier verfügte BBC wieder über eigene Aufnahmen. Erst eine Tränengasgranate beendete die Rangelei aufgebrachter Homosexueller mit der Polizei. Daraufhin erließ der Polizeichef ein Verbot jeglicher politischen Symbole im Trauerbereich, wie das offiziell hieß.
Anschließend hatten Leute auf der Straße das Wort. Eine ältere Dame meinte:
„Hier geht alles drunter und drüber, aber dem König ist eine Reitstunde wichtiger. Hier kann man nicht einmal sagen, die Queen hätte es besser gemacht. Tony Blair hat Elisabeth II. ja beinahe an den Ohren hierherschleifen müssen. Und dasselbe würde ich persönlich mit diesen beiden jungen Leuten machen, wenn ich nur könnte.“
„Gehen Sie selbst Blumen niederlegen, Madame?“
„Erst habe ich mir gedacht, das ist ja eine Angelegenheit der modern eingestellten Leute. Doch nun gehe ich morgen Blumen niederlegen, aus Protest gegen eine Geschichte, die sich wiederholt.“
Ein Sprecherpaar im Studio wurde eingeblendet, hinter ihnen mein Porträt.
„Der Redaktion liegt inzwischen ein Fax vor aus dem Büro des Königs. Danach werde Seine Majestät heute um zehn Uhr morgens an den Trauerstätten eintreffen. Einige Royals werden ihn begleiten. Leider ist im Moment nicht zu erfahren, wer das genau sein wird. Sir Wilfried ist früh aufgestanden und mit uns im Studio. Vielen Dank, dass Sie bei uns sind. Was sagen Sie zu diesem Fax?“
„Guten Morgen. Ja, das ist zu begrüßen. Ich möchte aber die Dame von vorhin etwas korrigieren. Die Situation ist nicht mit dem Tod der Prinzessin vergleichbar. König Sascha sind die Toten im Park
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