Plötzlich Royal
Abartigen.“ Er legte einen krassen Zusammenbruch hin und titulierte den homophoben Priester seines Stadtteils, dem er die Schuld an dem Rauswurf gab, so laut mit allen fäkalen Schimpfwörtern, die er kannte, dass es an den Hauswänden widerhallte. Das amüsierte Grinsen des Reporters provozierte nicht nur Timm, und Simon merkte, dass ich wohl bald ebenfalls in die Priesterbeschimpfung einstimmen würde.
„Sag nichts!“, zischte er mir zu und nahm Timm an der Hand. Wir drei liefen nun eilig die Strecke zurück zum Hotel. Simon hatte recht. Wir mussten den Jungen von der Straße wegbringen. Kern war so unverschämt und folgte uns bis in die Hotellobby. Dort hatte ein neuer, trendig gestylter, dreißigjähriger Wasserstoffblonder in engen Designerklamotten Dienst.
„Hi, Simon, Sascha! Hach, man kann euch Süßen kaum auseinanderhalten!“
„Danke! Hast du noch ein Einzelzimmer?“, fragte ich laut genug, damit es Kern unmissverständlich hören konnte.
„Hach, seit man weiß, dass ihr beiden Schnuckel-Twinks hier seid, ist alles ausgebucht.“
„Ich bin zwar auch schwul, trotzdem bitte nicht im Anmachertonfall!“, ärgerte ich mich und der Hotelangestellte lief rot an.
„Vielleicht hat dein Vater eine tolerantere Einstellung?“, fragte Simon, an Timm gewandt.
„Der ist schon abgehauen, als ich noch ein Baby war“, antwortete er trotzig.
„Dann kommt der Junge eben zu uns hoch. Unser Apartment hat ja zwei Schlafzimmer.“
„Dann muss ich um den Pass oder ein anderes Papier des neuen Gastes bitten. Ich bin verpflichtet, sein Alter zu prüfen“, versuchte der Wasserstoffblonde nun diskret, wie im professionellen Gastgewerbe üblich, aufzutreten.
Er kopierte den Pass, den Timm zum Glück dabei hatte.
„Eine Kopie für mich bitte!“, verlangte Kern.
Alle blickten den frechen Reporter entsetzt an. „Egal, spielt keine Rolle mehr“, meinte Timm, Kern nahm mit einem hämischen „Danke!“ die Kopie entgegen und machte sich endlich davon. Simon ging ihm bis halb in den Gang nach draußen nach und versicherte anschließend allen Anwesenden, dass der Reporter wirklich weg sei. Ich zog zwei Hundertpfundnoten aus der Brieftasche und beauftragte das Hotel, dem Emo Wäsche und Klamotten zu besorgen.
Oben im Apartment schloss Simon die Tür. „Schauen wir erst hinter die Bilder und Lampen“, flüsterte er mir zu. Alle drei machten wir uns sofort an die Arbeit. Ich kam mir zwar etwas blöd vor, hier James Bond zu spielen, doch Kern traute ich alles zu. Schon kam Timm mit einem Stillleben-Bild zurück, deutete auf etwas, das auf den ersten Blick wie eine schwarze Pflaume aussah, und riss auf der Rückseite die Abdeckung weg. Da klebte eine grüne Elektronikplatine. Simon brachte ein größeres Bild aus dem Wohnbereich. Es zeigte ein küssendes Männerpaar neben einem Auto, dessen Scheinwerfer eine Linse war. Beide Bilder stellten wir draußen im Treppenhaus auf einen Stuhl. Nach zwanzig Minuten erfolglosem Weitersuchen meinte ich, entweder sei die Wohnung jetzt sauber oder wir fänden weitere Kameras und Wanzen nie und nimmer.
Das Hotel hatte auf dem Tisch der Wohnecke einen echten Champagner mit zwei Gläsern bereitgestellt, ein weiteres Glas fanden wir im Schrank über der Kochecke. Ein James-Bond-Martini – gerührt und nicht geschüttelt – hätte wohl besser zu den versteckten Kameras gepasst.
Ich hatte ein ungutes Gefühl. In Timms Lage war Alkohol keine gute Idee. Aber zu prüde wollte ich mich auch nicht geben, dann wäre Timm vielleicht einfach wieder abgehauen. Das war zu gefährlich, wegen der Suizidgefahr. Besonders bei einem Emo weiß man nie. Nachdem wir mit dem Martini angestoßen hatten, zog ich mich ins Badezimmer zurück, um dort schnell mit dem iPhone ins Internet zu gehen und nach den neuesten Nachrichten zu schauen. Selbst wenn Timm erst sechzehn gewesen wäre, hätte er legal mit uns im Zimmer sein dürfen. Da! In einem leicht zu findenden Blog war das Foto von uns dreien bereits gepostet worden. Klar sah Timm gut aus, die schwarzen Jeans standen ihm ausgezeichnet. Dennoch blieb mein Gefühl zwiespältig. Was würde Jack Kern aus der Sache machen? Ich schaltete mein iPhone wieder auf Standby und ging zu den anderen beiden.
„Seid ihr jetzt meine Sugar-Daddys, Leute?“, fragte Timm, nachdem er als Erster das Champagner-Glas geleert hatte.
„Jedenfalls mal für diese Nacht“, meinte ich und Simon legte ihm die Arme um die Schultern.
„Wir lassen dich nicht fallen, Timm,
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