Plötzlich Royal
das Gesicht. „Bist du sicher, dass es ‚Colouring the Troops‘ heißt und nicht umgekehrt?“, stand darunter.
„Dein Mann hat in einer privaten Mail gestern Abend ‚Colouring the Troops‘ statt ‚Trooping the Colour‘ geschrieben.“ Jack verschluckte sich fast vor Lachen. „Ein pressefreundlicher Mensch hatte sie mir gegen eine kleine finanzielle Aufmerksamkeit zugespielt.“
„Ich war zum Umfallen müde, tut mir leid“, knurrte Simon.
„Hast du auch ernsthafte Fragen?“ Ich ließ Jack mit meinem Tonfall spüren, dass ich weder die Karikatur witzig fand noch sein Ankaufen von privaten Mails. Anscheinend wurde man als Prominenter mit illegalen Methoden von der Boulevardpresse ausspioniert. Eine Frechheit!
„Welche Anweisungen wirst du Premier Cramer geben?“
„Keine, ich weiß, wie das politische System funktioniert. Der Kronprinz hat nur repräsentative Aufgaben. Allein der König berät den Premier.“
„Und bald bist du Museumskurator, oder wie muss ich das Anti-Sascha-Gesetz verstehen, das da ausgebrütet wurde? Da geht es doch nicht wirklich ums Sparen?“, fragte Kern und fummelte eine kleine Digitalkamera aus seiner Hosentasche.
„Die Antwort liegt in deiner Frage. Sicher soll man das Geld nicht mit beiden Händen zum Fenster rausschmeißen.“
„Wie Fergie!“, grinste Jack Kern hämisch.
„Ich erlaube mir da kein Urteil. Die Monarchie muss glänzen und ich denke, das gegenwärtige Budget ist angemessen“, versuchte ich staatstragend zu reden. „Ich würde nicht von einem Anti-Sascha-Gesetz sprechen. Es ist eine Modernisierung, die der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Pluralisierung Rechnung trägt. Beispielsweise ist die Heirat mit einem Katholiken nicht mehr ein Ausschlussgrund, solange man selbst Anglikaner bleibt.“
„Du giltst in der Schweiz als Linkspolitiker. Bleibt das so?“ Kern stand auf, um vom Gang aus Fotos zu schießen. Für die Online-Ausgabe, wie er knapp erwähnte.
„Ich hatte in der Schweiz kein offizielles politisches Amt“, antwortete ich auf seine Frage. „Der Einsatz für LGBT-Rechte ist heutzutage ein Anliegen aller drei Parteien im Unterhaus, also verletze ich nicht das Neutralitätsgebot für die königliche Familie, wenn ich ebenfalls für diese Rechte eintrete.“
Klar war dies eine blauäugige Aussage, doch mit blauen Augen und fünfundzwanzig Jahren durfte man so etwas von sich geben. Zu meinem Erstaunen schickte Kern mein bisheriges Geplauder tatsächlich als MMS per Satellitenhandy an seine Redaktion. Danach gab er aber leider keine Ruhe.
„Was sagst du nun zu Obama?“
„Schreib nur, dass ich mich freue, den Präsidenten und Premier Cramer persönlich kennenzulernen.“ Ich hatte keine Lust mehr auf dieses, von Kern arrogant geführte Interview und wandte mich an Simon: „Komm, wir müssen noch die Unterlagen durchsehen!“
Wir ließen Jack sitzen und ich ging mit Simon nach vorne. Immerhin war der schlecht rasierte Promi-Stalker nicht derart unverschämt, mit in die First Class zu kommen.
Premier Cramers Büro hatte mir eine Anleitung geschickt, was Simon und ich beim Empfang des Präsidenten zu tun hätten. Viel war es nicht, außer Smalltalk und Händeschütteln. Wir durften sogar mit dem Präsidenten im Hubschrauber in den Hyde Park fliegen, wo Obama eine Rede halten würde. Als erfrischend empfand ich es auch, dass der Stab des Premiers Simon wie meinen Mann behandelte und nicht wie einen Kommilitonen. So war mir klar, dass diesen Flug Sir Geoffrey und nicht Cramers Sekretärin gebucht hatte.
Simon genehmigte sich eine Kugel Zitronensorbet. Ich brauchte einen Kaffee, um meine Gedanken an Sir Geoffrey herunterzuspülen. Dann wurden wir ins Cockpit eingeladen. Die Pilotin erklärte uns in groben Zügen das gläserne Cockpit. Anschließend fragte sie, ob ich als Royal bald Flugstunden nehmen würde. Es sei ja üblich, dass die Windsors einen Flugschein hätten. Der Gedanke hatte was, warum nicht?
Zurück am Platz stieß Simon ein „Ups!“ aus und zeigte mir in Cramers Programm einen schlichten Eintrag nach Obamas Ansprache: „Rede des Kronprinzen im Hyde Park.“
Ich hatte das überlesen. Aber ich war mir sicher, dass Cramers Leute etwas vorbereitet hätten. Simon meinte, ich sollte mir für alle Fälle ein paar Gedanken machen. Also begann ich auf der Rückseite des Programms mir eine Rede zu skizzieren.
Nur zu bald überflogen wir die englische Küste. Ob das gut genug war, was ich mir in der kurzen Zeit als
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