Plötzlich Royal
Rede zusammengeschustert hatte? Wenn ich doch nicht so viel Zeit mit Kern und seinem blöden Interview vergeudet hätte!
Unter uns erstreckte sich ein Flickenteppich aus Feldern, Wäldern und Ortschaften, der im Sinkflug allmählich detaillierter wurde. Die Klappen gingen raus und die Maschine flog eine Kurve. Schräg unten fiel mir eine riesige Schlossanlage an der Themse auf: Windsor Castle. Der Anblick verursachte bei mir ein flaues Gefühl im Bauch. Ich würde für ein paar Tage dort unten stellvertretender Schlossherr sein, wie mein Großvater es fast sein ganzes Leben lang gewesen war. Das Fahrwerk rumpelte, schon schwebten wir über den Zaun des Flughafens Heathrow und setzten auf. Wir hatten kein Fingerdock, sondern parkten auf dem Rollfeld. Schnell rollten die Gepäckwagen und die Treppen heran und auch der erste Flughafenbus fuhr zum Heck, um die regulären Passagiere abzuholen. Wir würden danach mit der Maschine auf die andere Seite Londons nach Stansted fliegen. Ein Flughafenauto führte einen Konvoi aus einem schwarzen Rolls-Royce und einem grauen Minibus zur Maschine. Das sah verdächtig nach königlichem Haushalt aus. Es wurde nun eine weitere Treppe zum Bug herangerollt und kurz darauf stieg tatsächlich Sir Geoffrey im nebelfarbenem Anzug und mit regengrauem Gesicht die Treppe hoch, gefolgt von dem südafrikanischen Chef der Sicherheit John und drei Damen mit Koffern.
„Hatten Eure Königliche Hoheit und Sir Simon einen angenehmen Flug?“, fragte Sir Geoffrey frostig, die Etikette beachtend, als er die First-Class-Kabine betrat.
„Ausgezeichnet, danke der Nachfrage, Sir Geoffrey“, tat ich so, als hätte ich von gutem Benehmen eine Ahnung.
Wie befürchtet wurde ich nun in einen typischen „Morning Dress“ gesteckt, mit hellgrauer Hose und gelber Weste, als wäre ich Hans-Dietrich Genscher. Es sah grauenvoll aus.
Bei Simon gab sich Sir Geoffrey mit einer schwarzen Krawatte und einem Jackett anstelle der Lederjacke zufrieden. Wenig später rollte die Maschine wieder und die Kabinenchefin befahl allen, Platz zu nehmen und sich anzuschnallen. Während des Fluges nach Stansted sei das Aufstehen nicht möglich.
Wir flogen ziemlich niedrig in einem Bogen nördlich um London herum, etliche Turbulenzen rüttelten am Flugzeug. Ich fühlte mich im Morning Dress verkleidet und wie ein Hochstapler. Über mein Outfit würde ich mit dem königlichen Haushalt sprechen müssen, letzte Bastion des guten Benehmens hin oder her, trotzte ich in Gedanken, als wir auf dem Flughafen Stansted landeten. Etwas abseits vom normalen Flughafenbetrieb rollten wir langsam auf eine Musikkapelle und einen roten Teppich zu. Wie in Premier Cramers Tagesprogramm zu lesen war, wurde der rote Teppich quasi für den Arbeitsantritt des Kronprinzen benutzt. In den letzten beiden Jahren hatte mich Großonkel Charles in dieser Funktion vertreten und bald würde es der Job meiner Schwester oder meiner Mutter sein, je nachdem ob Mum Katholikin bleiben wollte oder nicht.
Die Treppe wurde zu unserer punktgenau zum Stehen gekommenen Maschine gefahren. Die Kapelle der roten Bärenfellmützen der Royal Household Guards machte sich bereit, im Hintergrund entdeckte ich CNN, BBC und zwei Hubschrauber des Präsidenten. Auf Podesten hatten sich rechts und links des Spaliers die Kameras in Position gebracht und nahmen uns ins Visier.
„Sie sollten winken, Hoheit“, bemerkte John, und Simon und ich folgten der Empfehlung gern.
„Ihr Kommilitone Sir McTombreck wird im Flugzeug bleiben und, wenn dieses eine Parkposition abseits erreicht hat, mit einem Wagen in das Hotel Ritz gefahren. Der Zeitplan ist straff, wir müssen uns beeilen, Hoheit“, teilte Sir Geoffrey kalt mit.
„Das kommt nicht in Frage. Ich möchte den Premier hier an Bord sprechen, vorher steige ich nicht aus!“ Sir Geoffrey begann mich zu ärgern. Ich setzte mich wieder, während mich alle anglotzten. Simon wusste am allerwenigsten, was er nun tun sollte, da ich wieder einmal nicht brav war, doch ich war entschlossen, keinesfalls nachzugeben.
„Earl Binnester und ich sind der Überzeugung, dass diese Beziehung nicht im Interesse der Monarchie ist“, goss der nebelgraue Sir Öl ins Feuer.
„ Sie sind nicht im Interesse der Monarchie, Sir Geoffrey!“ Ich erschrak selbst über meine frechen Worte. Es war einige Sekunden totenstill in der Kabine, bis plötzlich Johns Handy dudelte.
„Politisches Problem, Prince Sascha will erst den Premier sprechen … ich weiß,
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