Plötzlich Royal
worden war.
Zu unserer Freude weilte Sir McKellen in London und war bereit, seinen Terminkalender umzustellen, um mit uns den Tee einzunehmen. Für uns beide war es eindrücklich und bedrückend zugleich, als Sir McKellen erzählte, wie er in unserem Alter als Schwuler hatte leben müssen. Es war bei ihm Tradition, in Hotelzimmern die homophoben Seiten aus der Bibel zu reißen, und ich überließ ihm die Ehre, das bei unserer zu tun. Er berichtete auch, wie die ganze Community in diesen Tagen meinetwegen zwischen Hoffen und Bangen schwankte.
Auch am nächsten Tag mussten wir von Mr Grant noch mehr über die Abläufe und Gepflogenheiten des königlichen Haushalts lernen. Eine ziemlich pedantische und trockene Materie.
Zum Tee erschien der Lord Major mit Gattin. Mein erster politischer Termin. Man konversierte über die Jugendprobleme und welche Auswirkungen die Sparprogramme der Regierung auf die Jugendarbeit in den sozialen Brennpunkten hätten. Sir Wilfried und Gattin, das britischste aller Ehepaare, dinierten mit uns und wir jungen Leute hörten dem Sir amüsiert zu, wie er Anekdoten von den Ladies und Lords erzählte.
Am Mittwoch fand die Beerdigung statt. Meine Eltern waren dazu mit einem Firmenjet eingeflogen worden. Vermutlich hatte Cramer meinem Vater klargemacht, dass ernsthafte Konsequenzen für die Monarchie zu erwarten seien, wenn die Eltern des Königs bzw. Tochter und Schwiegersohn des verstorbenen Monarchen an der Zeremonie fehlen würden.
Ich ließ die Zeremonie in der Kathedrale über mich ergehen. Er dauerte lange, mit künstlerisch sehr hochstehenden Requiems. Mehr ließ sich dazu nicht sagen, außer dass mein letzter Gottesdienst mindestens acht Jahre zurücklag. Ich beneidete den Duke of Edinburgh, der die Predigt mit einem Nickerchen abkürzen konnte. Danach folgte die engere Familie ohne Öffentlichkeit dem Sarg in die Gruft der Monarchen. Da lagen sie alle in majestätischen Sarkophagen: Queen Victoria, George V., George VI., Elisabeth II., nur Edward VIII. fehlte. Wir traten zum offenen Sarkophag hin, der bereits mit „George VII.“ beschriftet war. Während der Sarg nun in den steinernen Sarkophag eingelassen wurde, sprach der Erzbischof die Worte: „Asche zu Asche, Staub zu Staub. Der du so erhaben warst unter den Menschen, trittst nun als einfache Seele vor deinen Schöpfer in der Verheißung der Auferstehung am Jüngsten Tag. Mögest du bis dahin in Frieden ruhen und der Himmel deine Seele gnädig aufnehmen, geliebter und von uns so schmerzlich vermisster Sohn, Bruder, Vater, Großvater und Onkel. Amen.“
„Amen“, wiederholten alle. Der Sarkophag wurde geschlossen und jeder von uns legte eine Blume darauf.
„Der nächste König wird die Nische gegenüber benutzen?“, fragte der Duke of Edinburgh.
„Ja, es wäre alles bereit“, antwortete der Erzbischof dem Witwer der Queen. Das hätte sich der Duke nun wirklich verkneifen können. Ich zog es vor, so zu tun, als hätte ich es nicht gehört. Es folgte ein Lunch mit den Staatsgästen im Palast. Simon hatte sich schon vor dem Gottesdienst davon dispensieren lassen, offiziell wegen Magenproblemen, inoffiziell wollte er sich einfach nicht anstarren lassen.
Etwas ärgerlich war das kurze Gespräch mit Papi. Er hat es nicht gerade gut aufgenommen, dass ich William und nicht meiner Mutter oder wenigstens meiner Schwester den Fürstentitel von Wales zukommen lassen wollte. Es gäbe im Leben nun einmal Gewinner und Verlierer der Globalisierung, glaubte er, und William würde eben zu Letzteren gehören. Das sei eine politische und keine marktwirtschaftliche Entscheidung gewesen, gab ich zurück. Darauf kassierte ich die verbale Ohrfeige, ich sei ein Depp, wenn ich auf einen Snob, der mit dem Hubschrauber im Garten seiner Freundin lande, Rücksicht nähme, und ich solle endlich mein links-romantisches Weltbild ablegen.
Ich bildete mir nicht ein, das britische Geflecht aus Royals, Adel und Ehrenposten vollständig zu durchschauen, doch immerhin bemühte ich mich. Papi hingegen hatte keine Ahnung und es war ihm egal. Vielleicht brachte ich die Monarchie in ernste Schwierigkeiten, aber Papi hätte sie mit seiner Konzern-Mentalität bestimmt kaputt gemacht. Danach kam noch die Bemerkung, im Moment übergingen die Medien in Singapur und Schanghai diskret meine Veranlagung. Ich solle meine Weltverbesserungsbemühungen also etwas zurückdrehen. Es komme im asiatischen Raum nicht so gut an, als Spitzengeschäftsmann einen schwulen Sohn zu
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