Plötzlich Royal
wurde wieder von der Firewall gestoppt. Wenigstens ging die Seite von Wikipedia durch, die Homosexualität behandelte. Noch ein letzter Test mit „pinkcross.ch“, das wiederum blockiert wurde, und nun war es Zeit, die Taste 1 zu drücken.
„Danke, ich habe eben eine Wette gewonnen“, meldete sich John.
„Dass es weniger als eine Viertelstunde dauert, bis ich das mit der Firewall rauskriege?“
„Was? Nein, ich dachte, dass Sie sich nach Timm erkundigen. Für Internetsicherheit ist die IT zuständig. 8765.“
„Märsi“, antwortete ich genervt auf Züri-Tüütsch, legte auf und wählte die 8765. Während es klingelte, versuchte ich „thetimes.co.uk“, was problemlos gelang.
„Hier Bruno, Ihrer Majestät Informatiker“, meldete sich eine männliche Stimme. Im Hintergrund waren deutlich Computer-Lüfter zu hören.
„‚Seiner‘ Majestät, ‚Ihrer‘ ist mittlerweile zwei Jahre her.“
„Sorry, wo klemmt’s? Ich bin gerade am Löten, kann’s nicht warten?“
Mein Puls ging wieder etwas zurück. Der Informatiker hatte offenbar keine Ahnung, wen er an der Strippe hatte. Das könnte Spaß machen.
„Wegen der Firewall. Wie du weißt, Seine Majestät ist ja … äh … vom anderen Ufer und ich sitz vorm Laptop, der für ihn ist, und der Grant meint, es könnte für schlechte Stimmung sorgen, wenn da schwule Inhalte …“
„Mann, ich kapier nicht, was du willst. Wer bist du?“
„Philipp, neuer Stift vom Grant. Coole Sache mit dem jungen König. Wieso warst du nicht beim Empfang?“
„Frack und so Zeugs? Verschon mich! Ja, ich komm ja rauf. Sind gerade irgendwelche Pinguine unterwegs?“
„Nein, Luft ist rein!“, schwindelte ich.
Bruno hatte aufgelegt. Es würde wohl ein paar Minuten dauern, bis er aufkreuzte. Der Palast war ja nicht gerade klein. Ich surfte kurz über die seriöse Presse. Unsere kleine Parade hatte es dort nicht bis auf die Titelseite geschafft. Ein Prozess gegen BP in den USA war vielmehr das Thema. Erst unter „Gesellschaft & Royals“ wurde kurz über die Parade durch den Green Park berichtet. Den Vorfall mit der Fahne erwähnte die Online-Times nicht.
Bruno war ein eher kleiner Typ mit Bart, 68er-Pullover und weiten Jeans und passte somit überhaupt nicht zum Palast. Er stutzte etwas, als er uns beide sah.
„Wir beißen nicht“, versicherte ihm Simon.
„Majestät?“
Wenn einer mit Bart und Hippie-Pullover ‚Majestät‘ zu mir sagte, klang das sehr seltsam in meinen Ohren. Trotzdem, ich musste wohl oder übel meine Sprache an meine neue Stellung anpassen.
„Bruno, ich will einfach die Nachrichten-Seiten von schwulen Medien ansehen. Können Sie die Firewall für uns umprogrammieren?“
„Zeig mal“, meinte Bruno, ging zu Simon hinüber und setzte sich an den Laptop. Das schien ihm wohl weniger offiziell. Simon zeigte ihm, wie die Stonewall-Seite blockiert wurde. Bruno zog einen USB-Stick aus der Hosentasche, stöpselte ihn ein und startete den Laptop neu. Nun wurde vom Stick Linux geladen. Er loggte sich bei irgendeinem Server ein und ließ sich per Kommandozeilen-Befehl die Einstellungen der Firewall nach außen zeigen.
„Ja, ‚pro-homosexual contents‘ ist dicht. Das wurde auf einer großen Sitzung so beschlossen. Da darf ich nicht ran, das kann nur von höchster Stelle aufgehoben werden, Jungs. Da sind die Pinguine sehr empfindlich. Tut mir leid, könnt ja von zu Hause euer Zeug ansehen.“
„Bruno, das ist jetzt unser Zuhause“, machte ich ihm klar.
„Ups, ja. Es gibt eine Linux-Kiste, die ist außerhalb der Firewall. Ihr könnt dort mit X-Terminal drauf und den Browser starten. Ihr müsst allerdings über SSH tunneln, sonst blockiert euch die Firewall das X-Terminal. Ich …“
„Bruno, kein Hack. Hier geht es um die symbolische Wirkung auf das Personal“, klemmte ich die technischen Details ab.
„Selbst das Konto auf meinem Testrechner ist nicht legal, doch das haben die Pinguine noch nicht rausgekriegt.“
„He, das war ein Scherz mit dem Stift vom Grant. Sascha ist sein Boss“, erinnerte ihn mein Mann. Bruno wollte uns wohl gerne helfen, doch es lag nun einmal nicht in seiner Macht. Also gingen wir zu dritt hinüber zu Grant, der wimmelte uns aber mit dem Hinweis ab, dass dafür der Master of the Household zuständig sei. Das „Haus, das Verrückte macht“ aus dem Zeichentrickfilm Asterix erobert Rom ließ grüßen. Der Vorsteher des Hausbetriebs weile heute wegen der Sicherheitschecks in Windsor Castle, erklärte mir Butler
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