Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
Vom Netzwerk:
Hemd dunkelrot. Ich blutete.
    Mein Gott, ich blutete!
    Unter dem Blut erkannte ich, dass der Unterarm dicht behaart war. Die schwarzen Haare waren vom Blut teilweise zusammengeklebt. Das konnte doch unmöglich mein Arm sein, oder?
    Nein, das war er garantiert nicht!
    Aber warum fühlte ich dann diesen verdammten Schmerz?
    Bevor ich das Ganze auch nur ansatzweise verarbeiten konnte, schrie der Mann, der sich über mich beugte: «Meine Mutter kastriert überhaupt niemanden!!»
    Warum war ihm das so wichtig? Unter anderen Umständen hätte ich ihm höflich empfohlen, eine Psychotherapie zu machen, anscheinend hatte er da dringend etwas mit seiner Mutter aufzuarbeiten. Doch an Konversation war gar nicht zu denken, der Typ wollte mich töten ... mit einem Schwert! Einem richtigen Schwert! Was war denn das hier für ein Horrortrip? War ich etwa wirklich in einem früheren Leben gelandet?
    Quatsch... Garantiert war das irgendein Hypnosetraum. Prospero hatte ja vor meinen Augen rumgependelt, und ich war daraufhin in Trance gefallen.
    Aber das alles hier - der brüllende Typ über mir, meine Schmerzen, meine Angst -, das wirkte viel realer als alle Träume, die ich je hatte. Viel intensiver. Es war live, in Farbe und 3-D. Wie das richtige Leben!
    Nein, nicht ganz richtig, es fühlte sich sogar noch realer an als das richtige Leben. Um einiges realer. Das lag vielleicht an den Unmengen Adrenalin, die gerade durch meinen Körper flössen. Wenn es überhaupt mein Körper war ... dieser blutende Unterarm, der war ja definitiv nicht meiner! Zumindest wollte ich nicht, dass es meiner war. Dazu tat er viel zu sehr weh. Und wenn der jetzt schon so schmerzte, wie qualvoll würde es dann erst sein, wenn mir der Irre den Schädel mit seiner Waffe spaltete?
    Der Mann hob sein Schwert zum Todesstoß.
    Ich bekam Panik, Atemnot, unfassbare Angst. Ich fühlte mich wie ein Tier auf einer Schlachtbank, kein einziger Gedanke kam mir noch in den Sinn.
    «Roll dich zur Seite!», hörte ich eine tiefe Stimme rufen, «schnell!»
    Genau das tat ich auch instinktiv. Nicht mal zehn Zentimeter neben mir sauste das Schwert des Mannes nieder, dabei spürte ich den gewaltigen Luftzug. Hätte ich mich nicht weggerollt, es hätte mich glatt in zwei Hälften zerteilt. Doch so sauste sein Schwert in die Holzplanke, auf der ich gerade noch gelegen hatte. Ja, ich lag auf Holzplanken. Befand ich mich etwa auf einem Piratenschiff?
    Der Mann versuchte sein Schwert aus der Planke neben mir zu ziehen und fluchte dabei - er hatte es mit so einer Wucht reingeschlagen, dass er Schwierigkeiten hatte, es rauszubekommen. Ich sprang auf, sah, dass ich auf einer Art Bühne stand, die sich mitten in einer großen Halle befand, die wiederum ganz aus Holz erbaut worden war. Also war dies hier kein Piratenschiff. Wenigstens etwas.
    Waren das da oben ringsherum Balkone? Egal. Ich sah an mir herab: Ich trug schwarze Stiefel und ebenfalls eine Strumpfhose. Warum war die im Bereich meines Schoßes so ausgebeult?
    «Nicht darüber nachdenken», sagte ich mir.
    Ich blickte zu dem fluchenden Mann, der sein Schwert aus dem Boden lockerte und etwas von «Jetzt werde ich dich kastrieren» murmelte.
    Kastrieren? Hatte das was mit der ausgebeulten Strumpfhose zu tun?
    «NICHT DARÜBER NACHDENKEN!», befahl ich mir.
    Jetzt ging es erst mal darum, aus dem Schlamassel herauszukommen. Für eine kurze Sekunde dachte ich, dass ich vielleicht einfach warten sollte, bis ich aus der Hypnose aufwachte, aber da durchzuckte wieder ein Schmerz meinen Arm und erinnerte mich daran, wie real das hier alles war. Und noch ein Gedanke kam mir in den Sinn: Was ist, wenn ich hier sterbe? Prospero hatte doch gesagt, dass dann mein Geist stirbt. Dann bekommt mein Körper, der im Zirkuswagen lag, wohl so eine Art Hirnschlag. Wollte ich das riskieren? Definitiv nicht!
    Der Irre hatte sein Schwert nun mit schier unendlicher Kraft aus dem Boden gezogen, ein zweites, leichteres Schwert, das auf dem Boden lag, kickte er mit dem Fuß so beiseite, dass ich es nicht erreichen konnte. Aber das hatte ich ohnehin nicht vorgehabt, fechten konnte ich ja gar nicht. Eigentlich konnte ich gar nicht mit irgendetwas kämpfen. Nicht mal mit den Fäusten. Das letzte Mal war ich in der zweiten Klasse in eine körperliche Auseinandersetzung geraten, als der nervige dicke Niels, der uns kleinere Kinder immer auf dem Spielplatz ärgerte, einen ganzen Nachmittag «Rosa, Rosa, macht sich noch in die Hosa» sang. Irgendwann drehte ich

Weitere Kostenlose Bücher