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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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hinter einen Baum. Während ich dort vor mich hin tropfte, erklärte ich Shakespeare leise: «Sie will, dass wir gehen.»
    «Das ist wahr. Jedoch sprechen sehr viele Dinge dagegen, diesen Ort zu verlassen. Zum einen werden uns Walsingham und die Queen grausam bestrafen, wenn wir aufgeben.»
    «Das stimmt», musste ich zugeben.
    «Und zum anderen genieße ich es sehr, bei der nackten Gräfin zu sein.»
    «Aber ich nicht!»
    «Du bist ja auch eine Frau.»
    «Im Moment leider nicht.»
    «Die Gräfin ist wahrlich eine Schönheit.»
    «Du findest sie schön?»
    «Ich würde sehr gerne mit ihr zu Bett liegen.»
    «Was?!?»
    «Natürlich erst, wenn du meinen Körper verlassen hast.»
    «Wie überaus zuvorkommend von dir», sagte ich ironisch.
    «Eine Nacht mit mir würde die Gräfin sicherlich von der Trauer über ihren Bruder ablenken.»
     «Wie selbstlos», sagte ich sarkastisch.
    «So bin ich nun mal. Selbstlos und charmant.»
    «Wer's glaubt», seufzte ich.
     
     
    «Die Gräfin wird es gewiss glauben. Und für mich könnte eine solche Liaison äußerst gewinnbringend werden.»
    «Gewinnbringend, wie denn das?», fragte ich irritiert.
    «Jeder Dramatiker träumt von einer wohlhabenden Gönnerin. Würde die Gräfin mir verfallen, und das wird sie gewiss, wenn ich es darauf anlege, könnte sie mir ein eigenes Theater finanzieren. Eines, in dem ich jedes Stück aufführen könnte, das ich möchte, und in dem ich keine Kompromisse mit einem Bordellbesitzer mehr eingehen muss. Davon träume ich schon seit langem, und ich weiß auch schon, wie ich dieses Theater nennen werde: das
    Auf diese Ausführungen ging ich gar nicht mehr ein. Ich dachte nur eins: Das hatte mir gerade noch gefehlt - Shakespeare ist scharf auf die Gräfin!
     
     

36
    In meinem Frauenkörper hätte ich nun garantiert eine üble Migräne bekommen. Aber dazu neigte Shakespeares Körper dankenswerterweise nicht. Wenigstens ein Vorteil.
    Ich musste Shakespeare davon überzeugen, sich nicht für die Gräfin zu interessieren: «Die Queen will, dass die Gräfin und Essex zusammenkommen.»
    «Ich weiß.»
    «Wenn wir gegen ihren Willen handeln, wird sie uns - wie du gerade selbst gesagt hast - grausam bestrafen.»
    «Auch damit sprichst du Wahres aus.»
     «Also wäre es höchst unklug, die Gräfin zu verführen.»
    «So ist es.»
    «Dann hörst du jetzt bitte auf, mich damit zu nerven?»
    «Nein.»
    «Was???»
    «Mein Wille steht fest: Sie soll mir mein Theaterfinanzieren. Sie ist die erste Frau, der ich bisher begegnet bin, die reich und zugleich schön ist. Ihr Gesicht ist würdevoll, ihr Körper ist makellos ...»
    «Von wegen», protestierte ich. «Die Gräfin hat an den Beinen leichte Beulen», unterbrach ich ihn gereizt, obwohl ich mir da nicht ganz sicher war. Olivia hatte jedenfalls in unserem Jahrtausend ein bisschen Orangenhaut auf dem Oberschenkel, wie ich mal bei einem gemeinsamen Badeausflug mit Jans Freunden feststellen durfte. Zwar hatte sie bei weitem nicht so viele Runzeln wie ich, aber es war dennoch schön festzustellen, dass auch sie nicht ganz perfekt war.
    «Ich habe keine Beulen bemerkt. Und glaub mir, ich habe eben sehr genau hingesehen. Die Gräfin ist wirklich eine beeindruckende Erscheinung, als hätten die Götter ihren Körper erschaffen, und wenn ich Götter sage, dann meine ich damit außerordentlich fähige Götter...»
    «ARGGHHHH», schrie ich laut auf. Ich konnte das Ganze nicht mehr ertragen.
    «Geht es Ihnen nicht gut?», hörte ich die Gräfin besorgt sagen.
    Ich drehte mich um, sie stand wenige Meter entfernt, in ihr großes Handtuch gehüllt. Es war nicht so ein schönes, kuscheliges buntes Handtuch, wie man es in unserer Zeit kannte, sondern einfach ein graues, grobes Leinentuch, das Ähnlichkeit mit einer Gefängnisdecke hatte. Die Frauen dieser Zeit hatten also nicht nur Korsagen zu erdulden.
    «Wie ... wie lange hören Sie schon zu?», fragte ich die Gräfin.
    «Seit », antwortete sie.
     
    Hätte ich noch Macht über meinen Körper gehabt, wäre ich jetzt vor Scham in den Boden versunken.
     
    «Ich ... ähem ... meinte eine andere Gräfin», erwiderte ich nicht gerade überzeugend, und sie glaubte mir natürlich kein Wort.
    «Es ist Zeit, dass Sie zu dem Earl zurückgehen», forderte sie mich auf.
    Ich nickte, doch Shakespeare protestierte in meinem Hirn:
    «Trage weiter unser Sonett vor.»
    «Ich trage kein Sonett mehr vor», widersprach ich

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