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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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regelrecht bockig. Worauf die Gräfin kühl erwiderte: «Master Shakespeare, das habe ich auch nicht von Ihnen erwartet.» Sie konnte sich genauso von oben herab benehmen wie Olivia. Ich ging eiligen Schrittes davon, aber Shakespeare ließ nicht locker:
    «Wenn du ihr das Sonett nicht vorträgst, dann werde ich von nun an die ganze Zeit in deinem Kopf singen.»
    «Was?»
    «God save our gracious Queen», hob ich an.
      «Das ist jetzt nicht dein Ernst.»
    «Long live our noble Queen, God save the Queen», sang ich noch schiefer, in einer Tonlage, die jeden Musikliebhaber in den Freitod treiben konnte.
    «Wenn wir nicht in einem Körper wären, würde ich dich jetzt hauen.»
    «Send her victorious...»
    «Vielleicht hau ich dich einfach dennoch ...»
    «Happy and glorious...»
    «Okay, okay, du hast gewonnen.»
     
    Es gab nun mal keine mächtigere Waffe als die Penetranz, um etwas durchzusetzen. Das war auch eins der Erfolgsrezepte der anglikanischen Kirche. Neben der Folter.
     
    Ich drehte wieder um und ging zurück zur Gräfin. Sie hatte mich ja gehört und musste davon ausgehen, dass ich die ganze Zeit irre mit mir selber gesprochen hatte. Daher schaute sie mich mitfühlend an: «Haben Sie in einem Krieg gekämpft, und haben die Ereignisse Sie dort um Ihren Verstand gebracht?»
    «Nein, ich habe in keinem Krieg gekämpft», antwortete ich.
    «Was hat sonst Ihren Geist verwirrt?», fragte sie besorgt.
    «Das zu erklären würde sehr lange dauern», seufzte ich. Und dann tat ich, wie Shakespeare mir geheißen, und deklamierte unser halbfertiges Sonett:
     
    Soll ich dich mit einem Sommertag vergleichen?
    Er ist wie du so lieblich nicht und lind;
    Nach kurzer Dauer muss sein Glanz verbleichen,
    Und selbst in Maienknospen tobt der Wind.
    Oft blickt zu heiß des Himmels Auge nieder,
    Oft ist verdunkelt seine goldne Bahn,
    Denn alle Schönheit blüht und schwindet wieder,
    Ist wechselndem Geschicke unteran.
     
    Die Verse rührten die Gräfin zu Tränen. Mitten im Vortrag sagte sie tief verzückt: «Ihre Zunge ist sehr sprachfertig.» «Sie ist auch sonst sehr geschickt», rief ich.
    Das sagte ich der Gräfin dann doch lieber nicht. Stattdessen betrachtete ich ihr gerührtes Gesicht und fand es extrem befremdlich, dass ausgerechnet ich meine größte Nebenbuhlerin so verzaubert hatte. Mit Worten, an deren Dichtung ich beteiligt war.
    Ich wollte jetzt wirklich weg, da konnte Shakespeare singen, wie er wollte, das wäre mir dann auch egal. Daher sagte ich «Auf Wiedersehen» und verbeugte mich. Dabei stellte ich fest, dass so eine Verbeugung zwar eine galante, jedoch auch eine ziemlich männliche Geste war. Sollte der neue Körper etwa auf mein Verhalten abfärben? Würde ich irgendwann zum Mann, wenn ich hier noch lange bleiben würde? Zu jemandem, der sich alle naselang mal in den Schritt greifen würde?
    Ich schüttelte diesen Gedanken ab, hastete davon, da rief mir Olivia aufgewühlt nach: «Richten Sie dem Earl bitte etwas von mir aus?»
    Ich drehte mich zu ihr um und fragte: «Was denn?»
    «Er soll mir nochmal eine Nachricht überbringen lassen.»
    Sie wirkte nun ganz nervös. Ich verstand nicht ganz, was mit ihr los war: Sie wollte doch sieben Jahre lang von Männern in Ruhe gelassen werden. Und jetzt wollte sie doch den Earl treffen?
    «Ich werde es ihm ausrichten.»
    «Danke. Aber es gibt da eine Bedingung.»
    «Welche?», fragte ich.
    Mit zittriger Stimme antwortete sie: «Nur Sie dürfen mir diese Nachricht überbringen, Master Shakespeare.»
    Jetzt war alles klar: Sie wollte nicht wirklich eine Nachricht von dem Earl. Sie wollte mich wiedersehen. Nur mich. Oder besser gesagt: Sie wollte den Mann wiedersehen, der sie mit einem Sommertag verglichen hatte: Shakespeare. Der fröhlich vor sich hin jubilierte: «O danke, ihr Götter!»
    Wenn die Gräfin sich jetzt in Shakespeare verknallt hatte und ich Gefühle für Essex hegte, der aber seinerseits etwas von der Gräfin wollte, dann rauschten wir hier schnurstracks auf eine Vierecksbeziehung zu.
    Eine Vierecksbeziehung mit nur drei Körpern.
     

37
    Noch bevor ich analysieren konnte, wie diese neueste Entwicklung der Ereignisse unsere Viereckskiste in drei Körpern verkomplizieren würde, baute sich der Majordomus Malvolio vor mir auf: «Wenn du mir die Gräfin abspenstig machst, dreh ich dir den Hals um!»
    Stand eigentlich jeder Mann auf diese Kuh?
    «Keine Sorge, ich habe kein Interesse an ihr», versuchte ich ihn zu

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