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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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befürchten, dass ihre Ausgehkrone gleich vom Kopf rutschen würde.
    «Ich wusste, dass du mich ins Grab bringen wirst, Rosa.»
    Die Augen der Queen verengten sich, sie öffnete den Mund, und ich erwartete, dass sie jetzt ihre Garde, die gewiss vor dem Labyrinth wartete, rufen würde, damit die mich im nächsten Wald verscharrt. Ich bereitete mich auf das Ende vor. Doch dann begann die Königin zu lachen. Laut zu lachen.
     
    Das kam dann doch etwas überraschend.
     
    Das Lachen der Queen war herzlich und befreit, fast schon sympathisch, als ob hinter ihrer harten Fassade im Herzen eine fröhliche Frau steckte, die einfach nur von Regeln und Konventionen gefangen war. Dennoch war ich noch nicht erleichtert, vielleicht lachte sie ja auch nur, weil sie sich etwas Amüsanteres einfallen ließ, als mich lebendig begraben zu lassen...
     
    Gewiss kam ihr etwas Gemeines mit einem Fagott und meinen Körperöffnungen in den Sinn...
     
    Die Queen setzte sich neben mich auf die Bank und wischte sich die Tränen aus den Augen: «Wissen Sie, Shakespeare, jeden anderen hätte ich nach so einem Fluch in meiner Gegenwart hinrichten lassen. Aber Sie haben mich zum Lachen gebracht. Wissen Sie, wann ich das letzte Mal so gelacht habe?»
    Das musste, so dachte ich mir, lange her sein, wenn man sich so ihre Falten an den heruntergezogenen Mundwinkeln betrachtete. Aber das wollte ich lieber nicht antworten, also erwiderte ich: «Nein, das weiß ich nicht.»
    «Ich auch nicht», seufzte die Queen und wirkte dabei auf einmal ganz sanft und weich. Wie sie wohl in der Jugend gewesen war? So ohne die Bürde des Amtes? War sie eine junge Frau gewesen, die als Teenager, wie alle anderen auch, fröhlich vor sich hin pubertierte, zu viel Alkohol trank, ihre königlichen Eltern zur Raserei brachte, ihre erste Liebe erlebte und gleich darauf den ersten Liebeskummer? Konnte man mit ihr über so etwas reden?
    Höchstwahrscheinlich nicht, denn sie riss sich schon wieder zusammen und wurde ganz geschäftsmäßig: «Ich bin gekommen, um zu sehen, ob du Fortschritte gemacht hast.»
    Was sollte ich ihr jetzt erzählen? Dass Shakespeare sich in die Gräfin verknallt hatte, die Gräfin sich in mich und ich mich in Essex? Das war sicher der schnellste Weg ins Grab.
    «Ähem ... ja ... ich mache Fortschritte ... nicht allzu schnelle ... eher Fortschrittchen ... so klitzekleine süße Baby-fortschrittchen ...»
    «Und warum hast du ausgerufen, dass du nicht mit Essex schlafen willst?», unterbrach sie mich.
    «Diese Frage hatte ich befürchtet.»
    «Weil ich nicht mit ihm schlafen will», sagte ich aufrichtig und in Ermangelung einer intelligenteren Antwort.
    «Ich wusste doch», lächelte die Queen nun, «du bist quer.»
    «Quer?» Ich war irritiert.
    « bedeutet, Männer zu lieben, jetzt denkt die Königin, dass ich Männer liebe! Und das hab ich nur dir zu verdanken, du törichtes Wesen! Korrigiere das. Auf der Stelle!»
    Shakespeares Ton gefiel mir nicht, und ich war immer noch sauer wegen seines anmaßenden, eifersüchtigen Gequatsches von vorhin. Deswegen dachte ich mir, er könnte mal eine kleine Lektion vertragen. Ich wollte ihm zeigen, wer hier Boss im Körper war. So sagte ich: «Ja, ich bin quer.»
    «Wie bitte?»
    «Ich mag nur Männer.» Es machte mir Spaß, Shakespeare zu ärgern.
    «Rosa, du zerstörst meinen Ruf!»
    Die Queen sagte: «Das habe ich mir gedacht. Sie sehen ein bisschen weibisch aus.» «Moment mal!»
    «Total weibisch», bestätigte ich.
    «Ich werde dich umbringen...!»
    «Manchmal zieh ich mir Frauensachen an: hohe Schuhe, ein Kleid...»
    «... langsam und qualvoll werde ich dich töten!»
    «... und besonders gerne lackiere ich mir die Fingernägel.»
    «Einerlei, ob du mir eine Lektion erteilen willst, Rosa. Ich möchte dich gerne darauf hinweisen, dass die Kirche in unserem Lande die queren Männer auf den Scheiterhaufen werfen lässt!»
    Ich schluckte, und die Queen lächelte: «Meine Kirchenleute wollen natürlich, dass alle Queren auf den Scheiterhaufen geworfen werden...»
    «Ich habe dich gewarnt!»
    Vielleicht hätte ich mir doch was anderes aussuchen sollen, um Shakespeare eins auszuwischen. Kaum hatte ich das gedacht, erklärte die Königin: «Aber keine Sorge, ich umgebe mich gerne mit Männern, die quer sind.»
    «Und ich erst», grinste ich erleichtert und dachte dabei ganz kurz an meinen Freund Holgi.
    «Mit den Queren kann man sehr gut über seine eigene Pein sprechen.»
    «Welche Pein haben Sie denn?»,

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