Ploetzlich Vater
Tür.
„Wer ist nicht gefährlich?“, fragte Derrick.
„Du“, sagte Jill sachlich und winkte ihrer neunzigjährigen Nachbarin Mrs Bixby zu, die aus ihrer Haustür spähte.
Jill musterte Derrick. An dem Tag, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte er eine Stoffhose und ein ordentliches Hemd angehabt. Heute trug er ein weißes T-Shirt, das seine muskulösen Oberarme extrem gut zur Geltung brachte, helle Jeans, sportliche Slipper, eine ziemlich dunkle Sonnenbrille und einen Dreitagebart. Eine Hand hatte er in der vorderen Hosentasche. Sein Haar war voll, dunkel und lockig. Einige ungebärdige Strähnen hingen ihm in die Stirn.
Wenn ihre Eltern ihn jetzt nur sehen könnten.
Ihre Mutter würde in Ohnmacht fallen.
Derrick war alles, was ihr Vater nicht war: groß und sexy, und nach allem, was sie gestern aus dem Fernsehen erfahren hatte, war Hollywood ein echter Bad Boy . Ein Frauenheld, bei dem ohne Zweifel jede Menge große, vollbusige Frauen Schlange standen.
Jill blickte an ihm vorbei und sah seinen BMW auf der anderen Straßenseite stehen. Das erklärte auch die Sturmfrisur: Sein Auto war ein Cabrio. Es war derselbe Wagen, in dem sie gelegen hatte, als ihre Fruchtblase geplatzt war. Sie fragte sich, ob er wohl die Zeit gefunden hatte, das Auto reinigen zu lassen.
Jill machte einen Schritt nach draußen und zog die Tür hinter sich zu.
Derrick schob seine Ray-Ban hoch. Sein linkes Auge schimmerte in allen möglichen Blau- und Violetttönen.
„Was ist denn mit dir passiert?“
„Nur ein kleines Missverständnis.“
„Ich vermute, du bist jemandem auf die Füße getreten?“
„Auf die Füße getreten?“
Sie verdrehte die Augen. „Man muss nicht Hermann Oberth sein, um zu sehen, dass du ein Händchen dafür hast, Leute gegen dich aufzubringen.“
„Wer ist Hermann Oberth?“
„Ein Physiker und Raketenpionier“, erklärte sie. „Einer der drei Gründungsväter der modernen Raumfahrt.“
Derricks Brauen zogen sich zusammen. „Hättest du nicht einfach sagen können, dass man kein Genie sein muss, um zu sehen, dass ich ein Händchen dafür habe, andere Leute auf die Palme zu bringen?“
„Also hatte ich recht.“
„Womit?“
„Damit, dass du ein Händchen dafür hast, andere gegen dich aufzubringen.“
Er seufzte. „Du siehst anders aus“, stellte er fest, in dem offensichtlichen Versuch, das Thema zu wechseln.
„Ich habe gerade ein Kind bekommen.“
Er neigte den Kopf zur Seite und betrachtete sie aufmerksam. „Nein, wirklich. Deine Haare … alles … Du siehst nicht wie dieselbe Frau aus.“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Willst du damit sagen, dass ich vorher fett war?“
„Nein, natürlich nicht. Ich … ich fand, dass du super ausgesehen hast. Du siehst jetzt nur anders aus, das ist alles.“
Sie verdrehte die Augen. Eigentlich hatte sie ihn nur auf den Arm nehmen wollen.
„Warum bist du hier?“, fragte sie und verzichtete auf das mit dem Humor, da sie dem Mann nicht einmal ein Lächeln entlocken konnte.
„Ich hatte gehofft, wir könnten reden“, erwiderte er. „Ich habe mit der Richterin gesprochen, und ich dachte, es interessiert dich, was sie zu sagen hatte.“
Jill musterte Derrick ein zweites Mal von Kopf bis Fuß. Dabei stellte sie sich vor, was ihre Eltern wohl sagen würden, wenn sie ihnen mitteilte, dass sie und Derrick Baylor ein Paar wären. Aus irgendeinem Grund durchlief sie bei dem absurden Gedanken ein Schauer. Es war über ein Jahr her, dass sie das letzte Mal mit einem Mann zusammen gewesen war. Insgesamt hatte sie bis jetzt mit drei Männern geschlafen, zumindest wenn man Roy Lester mitzählte. Nein, entschied sie schnell, Roy zählte nicht. Dann also mit zweien, korrigierte sie sich. In ihrem gesamten Leben hatte sie mit zwei Männern geschlafen. Derrick Baylor sah nicht nach einem Mann aus, mit dem man „schlief“. Er hatte wahrscheinlich jede Nacht heißen, leidenschaftlichen Sex auf der Motorhaube seines Cabrios. Bei dem Gedanken errötete sie.
Sex war schmutzig.
Zumindest hatte Jills Mutter das ihr und ihrer Schwester beigebracht. Thomas war im Bett immer ein perfekter Gentleman gewesen. Er war der sauberste und gepflegteste Mensch, den sie jemals getroffen hatte. Er hatte sich immer bemüht, weder ihre Frisur noch die Bettlaken zu ruinieren, wenn sie es denn mal geschafft hatte, ihn in Stimmung zu bringen.
„Geht es dir gut?“, fragte Derrick sie, als sie nicht darauf reagierte, was er über das Treffen mit der
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