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Ploetzlich Vater

Ploetzlich Vater

Titel: Ploetzlich Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresa Ragan
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heulen. Was ist los mit mir?“
    „Er ist erst vier Tage alt. Du musst dir ein bisschen Zeit lassen.“
    Im Fenster konnte Jill ihr Spiegelbild sehen. Wer war diese Frau, die sie da anstarrte? Was war mit Jill Garrison passiert, dem Mädchen, von dem es in der Schule immer hieß, sie würde garantiert alles schaffen, was sie sich vornahm? Wo war die junge Frau, die von Scharen von Männern bedrängt worden war, die sie zum New Yorker Debütantinnenball begleiten wollten?
    Jill stand auf und machte einen Knicks. Es nutzte nichts. Im hohen Alter von jetzt immerhin achtundzwanzig Jahren war sie einfach am Ende.
    „Alles klar bei dir?“, fragte Sandy, als sie aus der Küche einen kurzen Blick auf sie erhaschte.
    Jill ließ sich in ihren Lieblingssessel fallen. „Ja. Alles super.“
    „Deine Hormone spielen verrückt, und du hast eine kleine Wochenbettdepression. Das ist ganz normal“, versicherte Sandy ihr. „Jetzt iss erst mal was und spring unter die Dusche. Dann fühlst du dich gleich wie neugeboren.“
    Jills Handy klingelte, doch bevor sie rangehen konnte, signalisierte ihr das Schreien aus dem anderen Zimmer, dass die kleine Ruhepause vorbei war. Sie ignorierte das Telefon und ging ins Schlafzimmer.
    „Es wird besser“, rief ihr Sandy nach. „Ich verspreche es dir.“
    Jill glaubte ihr nicht. Sandy versuchte nur, sie zu trösten. Wenn Ryan sie einfach einmal eine halbe Stunde am Stück schlafen lassen würde, würde sie das schaffen, da war sie sich sicher.
    Nur dreißig Minuten Schlaf, und alles wäre in Ordnung.
    Drei Stunden später, nachdem sie ein Ei gegessen hatte und bei einem schnellen Spaziergang durch den Park ihre Telefonate erledigt hatte, fühlte sie sich ein bisschen besser. Zumindest waren ihre Haare gewaschen, sie hatte es geschafft, sich die Zähne zu putzen, und sogar Zahnseide benutzt, bevor Ryan wieder angefangen hatte zu weinen. Ihr Baby hatte seine kräftige Lunge zweifellos väterlicherseits geerbt.
    Jills Kindheit war ziemlich still gewesen, denn niemand in ihrer Familie redete oder unternahm überhaupt irgendetwas miteinander. An den meisten Tagen hätte man eine Stecknadel fallen hören. Man hatte ihr und ihrer Schwester beigebracht, ihre Stimmen und Gefühle jederzeit im Griff zu haben. Kinder sollte man sehen, aber nicht hören. Wenn sie beide zu ungestüm waren oder zu laut lachten, was selten genug vorgekommen war, mussten sie für zehn Minuten auf dem Holzstuhl sitzen.
    Jill beugte sich über das Bettchen und beobachte Ryan ein paar Sekunden lang, wie er so dalag und schrie. Was hatten ihre Eltern getan, wenn sie geschrien hatte? Sie hatte eine Menge Elternratgeber gelesen. Es machte ihr Angst, dass sie die tiefe Mutterliebe, die laut den Krankenschwestern die meisten Mütter sofort für ihr Neugeborenes empfanden, nicht zu haben schien. Sie fühlte keine besondere Verbundenheit mit ihrem Kind, auch wenn sie sich das mehr als alles andere wünschte. Fast ihr ganzes Leben lang hatte sie ein Kind haben wollen, aber in diesem Moment konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, warum.
    Ihr Sohn sah nicht einmal aus wie sie. Vielleicht hatte sie das falsche Kind mit nach Hause genommen? Ihr Herz schlug schneller. Sie verglich Namen und Nummer auf seinem winzigen Armband mit ihrem. Sie stimmten überein.
    „Was ist los, Ryan? Was hast du denn?“
    Sie nahm ihn hoch, küsste seine kleine Stirn und atmete den Geruch von Babypuder zusammen mit seinem ganz eigenen Duft ein. Als sie mit Ryan zurück ins Wohnzimmer kam, saß Sandys Tochter Lexi auf dem Fußboden und kritzelte in ihrem Malbuch.
    Sandy saß daneben auf einem dick gepolsterten Sessel, die Beine unter sich gezogen. Sie half Jill dabei, ihre monatliche Kolumne zu schreiben.
    Jill hoffte, dass sie und Ryan irgendwann auch einmal zusammen ein so friedliches und entspanntes Bild abgeben würden.
    Sandy stellte ihren Laptop beiseite und stand auf. „Ich hole sein Fläschchen. Wie läuft’s bei euch?“
    „Ryans Arzt sagt, solange er regelmäßig gefüttert und gewickelt wird, soll ich mir keine Sorgen darüber machen, dass er so viel schreit.“
    Draußen redete jemand, was sie beide aufhorchen ließ. Sandy ging zum Fenster und spähte durch die Jalousien. „Mein Gott, ich fass es nicht. Da ist er.“
    „Wer denn?“, fragte Jill.
    „Hollywood.“
    „Wer?“
    „Derrick Baylor. Er telefoniert gerade“, antwortete Sandy. „O Mist, da kommt er.“
    Sie drückte die Jalousien wieder zu. „Deine Eltern würden einen

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