Ploetzlich Vater
alle begrüßte, und lud sich ein Crostini – im Prinzip Frischkäse und Zwiebeln auf Brot – nebst einem Schinkenbrötchen und einem leicht angekohlten Hamburger auf den Teller. Seine Eltern waren keine großartigen Köche, aber es gab immer zwei oder sogar mehr lange Tische mit genug Essen, um die gesamte Nachbarschaft satt zu bekommen.
Er unterhielt sich eine Weile mit Mr und Mrs Cooley und bahnte sich dann einen Weg durch die Gäste. Er sah, dass Jill etwas gefunden hatte, woran sie knabbern konnte, während seine Mutter und seine Schwestern sich um sie und das Baby scharten. Auf der anderen Seite des Hofes entdeckte er Sandy, die sich offensichtlich mit seinem Bruder Jake angefreundet hatte, was ihm ein wenig Sorgen machte, denn so gern er Lexi auch mochte, konnte er sich doch nicht vorstellen, bei jedem Familientreffen Sandys finstere Mine ertragen zu müssen. Außerdem war Jake viel zu jung für sie.
Mom schien bereits gegessen zu haben, denn sie saß zufrieden neben Jill und gab Ryan das Fläschchen, während sie jedem, der vorbeikam, Jill und ihren Enkel vorstellte.
Er spürte, wie jemand ihm eine große Hand auf die Schulter legte, und drehte sich herum, um zu sehen, wer es war. „Hi, Dad. Wie geht’s?“
Sein Vater schüttelte den Kopf, als würden ihm für das, was er sagen wollte, die Worte fehlen. Endlich räusperte er sich und sagte: „Mein Kleiner ist erwachsen geworden.“
„Dad, ist das dein Ernst? Ich bin fast dreißig. Du wirst auf deine alten Tage doch nicht sentimental werden, oder?“ Sein Vater war vor zwei Jahren als Manager einer Bank in Rente gegangen. Derrick fiel ein, dass er seinen Vater schon lange nicht mehr mit zum Golfen mitgenommen hatte. Offensichtlich war es höchste Zeit, das wieder einmal zu tun.
Sein Vater blinzelte ein paarmal, und Derrick dachte an seinen eigenen, gefühlsduseligen Moment von vorhin, als ihm klar geworden war, dass er hier war, um seiner Familie seinen Sohn vorzustellen.
„Verdammt“, meinte er. „Du weinst doch nicht etwa, oder?“
Sein Vater richtete sich gerade auf. „Du hast jetzt einen Sohn, da wird nicht mehr geflucht.“
„Okay, du hast recht. Kein Fluchen.“ Er richtete den Finger auf seinen Vater. „Aber auch keine Heulerei.“
„Sei nicht albern. Ich habe nicht geweint.“
Derrick holte tief Luft und entschied sich, es nicht weiterzuverfolgen – weder das Weinen noch das Fluchen.
„Da hat Mom heute ganz schön was auf die Beine gestellt“, bemerkte er.
„Ja, aber die Schinkenbrötchen würde ich an deiner Stelle nicht essen“, sagte Dad. „Sie schmecken nach Fisch.“
Ah, viel besser . So kannte und liebte er seinen Vater. „Die sollen nach Fisch schmecken“, erinnerte Derrick ihn. „Mom tut Thunfisch in die Mitte. Wir haben das Zeug immer als Pausenbrot mit in die Schule bekommen.“
„Das tut mir leid“, sagte sein Vater, und seinem ernsthaften Ton nach zu urteilen, meinte er es auch so. „Ich wusste schon nach unserem ersten Abendessen vor etwas mehr als vierzig Jahren, dass deine Mutter nicht kochen kann. Aber als sie sich erst einmal entschieden hatte, dass sie mich heiraten wollte, hatte ich keine Chance mehr.“
Derrick beschloss, ihm nicht zu sagen, dass seine Mutter genau dasselbe über ihn erzählte.
„Ich mag Jill“, wechselte sein Vater das Thema. „Sie scheint intelligent und nett zu sein. Schön, dich mal mit einer Frau zu sehen, die auch was im Kopf hat.“
„Dad, wir sind nicht zusammen.“
„Sie ist die Mutter deines Kindes, natürlich seid ihr zusammen. Ob du es willst oder nicht, ihr zwei werdet euer ganzes Leben lang zusammen sein.“
Derrick schielte zu Jill hinüber und malte sich aus, mit ihr zusammen zu sein – für immer. „Ich kenne sie doch kaum.“
„Na und?“
„Sie ist nicht mein Typ.“
„Du meinst wohl, du bist nicht ihr Typ.“
„Was meinst du damit?“
„Schau sie dir doch an“, sagte sein Vater. „Sie ist perfekt. Sie hat Anmut, Manieren und eine großartige Singstimme.“
Seit wann machte sich sein Vater Gedanken über Dinge wie Anmut oder Manieren? Der Alien war zurück. „Was meinst du damit, sie hat eine großartige Singstimme? Hast du sie etwa singen gehört?“
„Natürlich nicht. Und was macht es schon, wenn sie keine Modelmaße hat? Deine Mutter mag sie.“
Während sein Vater Jill in den Himmel lobte, sah Derrick, wie ihre Augen aufleuchteten, als sie über irgendetwas lachte, was seine Mutter zu ihr sagte. Was ihm ein bisschen Angst
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