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P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

Titel: P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
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Abfluss von Kapital, d.h. Gewinnen, verhindern, Reinvestition sichern.«
    »Und das konntest du nur hier?«
    »Das kann man nur unter den Bedingungen einer gewissen anfänglichen Isolation. Und meist nur dort, wo andere Kapitalisten keine Rendite vermuten. Das hier gilt als schlechtes Land.«
    »Und die Menschen, die hier wohnen, sind deine Versuchskaninchen?«
    Roberto lächelte müde. »Ich dachte schon, dass das kommt. Der nette Kapitalist, die unmündigen Angestellten. Ich gebe zu, am Anfang war das so. Nur wer Geld hat, kann investieren, und nur ich hatte Geld, mindestens hier draußen. Ich habe eine Singularität geschaffen, mit meinem Kapital eine Art freundlichere Gated Community aufgebaut. Davon gibt’s in Brasilien Tausende, das fiel gar nicht groß auf. Doch inzwischen hat sich einiges verändert.«
    Er zeigte mir eine Statistik: »Alle Bewohner sind Wohngenossenschafter. Inzwischen haben sie meine Anfangsdarlehen abbezahlt, und die
habicombis
gehören ihnen. Alle, die in Alivicom-Betrieben arbeiten, sind auch Aktionäre. Wennsie zu arbeiten beginnen, wird ihnen jeden Monat ein Teil des Lohns so lange in Aktien ausbezahlt, bis sie mittlere Teilhaber sind. Alivicom gehört heute zu genau 49,8% den Angestellten.«
    »Und die anderen 50,2% hast du!«
    »Richtig. Und das ist wichtig. Schau mal hier.«
    Er zeigte mir einen altmodischen Messingschalter, der an der Wand hinter seinem Pult montiert war, und deutete auf ein Messingschild mit der eingravierten Inschrift:
business as usual
. Auf der rechten Seite des Schalters war ein Schild mit der Aufschrift:
normalidade
angebracht. Noch zeigte der Schalter auf
business as usual
.
    »Es ist politisch wichtig, dass Alivicom ein privatkapitalistisches Unternehmen ist. Die Welt ist kapitalistisch, also ist auch Alívio kapitalistisch. Die Alternative wäre, dass wir irgendeine postkapitalistische Avantgarde-Position einnähmen, eine Art Genossenschaftssozialismus oder dergleichen. Aber du weißt ja, wie das ist: Die Avantgarde stirbt. Es hat keinen Sinn, mit einer roten Fahne zu winken und zu schreien: He, hier sind wir, bringt uns um! Nein, Alivicom ist eine gewöhnliche Aktiengesellschaft, der Patron bestimmt, wo’s langgeht, Gewinne werden ausgewiesen und reinvestiert, das ganze Drum und Dran.«
    »Es gibt aber doch schon große Genossenschaften, die ganz gut überleben, zum Beispiel unsere Migros oder Mondragon«, wandte ich ein.
    »Ja, die Situation entspannt sich, und darum gibt’s auch das hier.« Er zeigte mir eine amtliche Urkunde. »Das besagt, dass bei veränderter Weltlage oder spätestens, wenn ich sterbe, mein Aktienanteil gleichmäßig auf alle Angestellten verteilt wird. Mein Vermögen geht an eine Stiftung, und das Geld kann nur auf die Art wie in Alívio angelegt werden.«
    »Du machst das Gleiche wie damals Gottlieb Duttweiler.«
    »Genau, nur sind die Strukturen bei uns effektiv demokratisch. Inzwischen herrscht so etwas wie ein konstitutioneller Kapitalismus. Die Bosse sind noch da, aber nur noch als Dekoration gegen außen.«
    »Der Kapitalismus wird also nie untergehen.«
    »Nie, genauso wenig wie die englische Monarchie. Wir werden es einfach Normalität nennen.«
    »Und die strukturellen Zwänge, das Wachstum, Lohnabhängigkeit, Rendite?«
    »Harmlos, solange alle wichtigen Anlagen unter der lokalen demokratischen Kontrolle bleiben. Wir machen keine Schulden. Wir refinanzieren uns selbst. Natürlich gibt es momentan noch einen gewissen Anpassungsdruck von außen. Wir weisen bescheidene Renditen aus, bezahlen Steuern, versuchen nicht aufzufallen.«
    »Und wenn die Angestellten wegziehen und ihre Anteilscheine mitnehmen möchten?«
    »Das können sie nicht. Sie können sie nur dann verkaufen, wenn jemand für sie einzieht. Unsere Aktiengesellschaften – es sind einige Dutzend – sind im Prinzip verfasst wie Genossenschaften. Niemand, der nicht hier wohnt und arbeitet, kann Aktien besitzen.«
    »Und der Staat mischt sich da nicht ein?«
    »Klar tut er das, durch mich. Ich bin Mitglied der Regierungspartei, Dilma Rousseff ist eine alte Bekannte von mir. Unser Gemeinderat besteht aus normalen Linken und Grünen. Er ist sogar ein kleines bisschen korrupt – damit nichts auffällt.«
    »Seid ihr nicht als ökologische Modellsiedlung bekannt?«
    »Davon gibt es viele in Brasilien. Zudem geben wir nur gefälschte Zahlen heraus. Oder sorgen dafür, dass die Umweltbelastung nicht allzu gering ist.«
    Er zeigte mir auf seinem Laptop eine weitere

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