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P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

Titel: P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
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der gesamten Alivicom waren untereinander vielfach vernetzt. Sie waren Sub-Aktiengesellschaften der Gesamtgesellschaft. Die Energieversorgung war mit der städtischen integriert.
    Die Ingenieure Marco und Tina begleiteten uns hinaus zu den glitzernden Parabolspiegeln, die Thermoöl erhitzten, das zu einem Turbinenhaus geleitet wurde und dort über einen Wärmetauscher aus Wasserdampf Strom erzeugte. Das Areal war mit hohen Maschendrahtzäunen und abgeschlossenen Toren gesichert.
    »Damit keine kleinen Tiere oder Kinder hineingelangen können«, erklärte Roberto, »es entstehen hier extrem hohe Temperaturen.«
    Ich stand vor zwanzig 50 Meter langen Reflektorrinnen. In ihrem Fokus befanden sich Absorptionsleitungen.
    »Diese Technologie ist sehr alt«, kommentierte Marco, »es gab schon 1912 Pilotanlagen. Sie ist technisch einfach und viel effizienter als Fotovoltaik, aber wartungsintensiver. Aber wir haben ja die Zeit und die Leute dafür.«
    »Der Wirkungsgrad liegt bei etwa 14 %, es entsteht eine Hitze von 390 °C und ein Druck von 55 bar«, erklärte Tina.
    Wir gingen den Reflektorrinnen entlang. Ich entdeckte auf dem Boden ein farbiges Bündel, ging näher hin. Es war ein halb verbrannter Vogel, eine Art Papagei.
    »Tja«, meinte Marco, »ganz ohne Opfer funktioniert auch diese Technologie nicht.«
    Wir gingen schnell weiter zum Turbinenhaus.
    Als wir später am Hauptplatz im
O Dourado
zu Mittag aßen, fragte ich Roberto: »Was macht ihr eigentlich, wenn irgendwelche Leute hier auftauchen und leben wollen?«
    »Die sind schon da: Die Bewohner kommen zu einem großen Teil aus Armenvierteln. Hier bekamen sie eine Beschäftigung, Unterkunft, einen Lohn, eine Ausbildung. Aber mehr Leute können hier nicht mehr wohnen. Wenn Alívio weiter expandiert, dann stimmen die Proportionen nicht mehr, dann verlängern sich zum Beispiel die Wege, dann würde ein qualitativer Sprung in der Infrastruktur nötig,dann könnte die Energieversorgung nicht mehr lokal funktionieren.«
    »Aber das ist denen vielleicht ganz egal, das können sie nicht einmal wissen.«
    »Wir schicken sie weg, zu ähnlichen Projekten, die noch im Aufbau sind.«
    »Und wenn sie trotzdem bleiben?«
    »Sie können hier nicht bauen, alles Land gehört uns. Wenn sie kein Geld mehr haben, werden sie deportiert. Wir bieten ihnen Hilfe an, aber der Laden bleibt geschlossen.«
    »Also doch eine Gated Community.«
    »Ja, wir sind in einer defensiven Position. Du kannst nicht lokal die nationale Politik korrigieren. Es gibt ein Programm zum Aufbau ökosozialer Quartiere und Agrostädte. Wir unterstützen es, mit Geld, mit Rat und Tat. Es heißt Calivia. Das Dilemma bleibt. Es gleicht dem, das du hast, wenn du Bettler triffst. Gibst du nichts, bist du ein herzloser Egoist, gibst du, unterstützt du das System Bettelei und entlastest den Staat von seinen sozialen Verpflichtungen.«
    »Arme könnten ja Kleinunternehmer werden. Mit Mikrokrediten.«
    »Kleinunternehmen sind Gift für die Gemeinschaft. Zudem sind sie ineffizient, ökologisch oft unhaltbar, kaum produktiv, nervlich belastend, sozial zersetzend. Es ist ein Kampf aller gegen alle. Man hat herausgefunden, dass die wenigsten Armen Kleinunternehmer werden wollen. Warum gerade Arme? Wenn es sonst schon niemand will. Lies das Buch von Esther Duflo. Die Armen wollen eine sichere Stelle, und das können nur große Unternehmen oder der Staat bieten. Nein, es braucht genügend große, tragfähige wirtschaftliche Strukturen. Leider ist die Investitionsschwelle da etwas höher. Also lieber Genossenschaften gründen als ein Gewimmel von Mikrounternehmen.«
    »Dafür braucht‘s Beziehungen, Unterstützung, Anfangskapital«, wandte ich ein.
    »Es ist vorhanden, es erreicht die Menschen nur nicht.«
    »Das ist wohl ein Rennen gegen die Zeit.«
    Ich schaute dem Treiben auf dem Platz zu. Schüler kamenvon links und überquerten ihn. Vor dem Café gegenüber saßen einige ältere Bewohner, Frauen und Männer, und rauchten Zigarren. Jemand transportierte auf einem Schubkarren Melonen.
    »Und was macht ihr, wenn eine Finanzkrise ausbricht?«
    Roberto lachte. »Nicht viel. Wir haben keine Schulden, wir haben unsere eigene Bank mit voller Deckung. Zwar rechnen wir jetzt mit den gewöhnlichen Reais, wir können aber ohne weiteres mit unseren internen Irreais weitermachen. Unsere eigene Bank macht nur stadtinterne Geschäfte, sie ist eine Art Raiffeisenbank. Unsere Reais sind de facto eine Lokalwährung. Die Kreisläufe sind

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