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P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

Titel: P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
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abgesehen.«
    Auf dem Weg zum Perron, wo der Regionalzug abfuhr, fielmir noch etwas ein: »Übrigens haben wir beim Profiling noch etwas vergessen: ich bin links, Sie sind links …«
    »Bleibt einem ja nichts anderes übrig«, schnaubte sie verächtlich, immer noch das iPhone bedienend.
    »Auch alle andern Probanden gehören irgendwie in dieses linke, intellektuelle, kulturelle Spektrum. Was nun, wenn der Manetti-Virus den Zweck hätte, diesen linken Filz zu zerstören, aufzulösen? Damit dann endlich die Rechte eine Mehrheit bekäme und Mauro Tuena Stadtpräsident werden könnte? Immerhin hat sein Chef Blocher eine ganze Chemiefabrik zu seiner Verfügung. Wir müssten mal den Schuber und den Kunstledereinband analysieren lassen.«
    »Eine typische Verschwörungstheorie. Ich hasse Verschwörungstheorien.«
    Wir waren auf dem Perron nicht ganz allein.
    »Auch bei den andern Theorien, die wir bisher hatten, muss jemand dahinterstecken. Und dieser mysteriöse Verfolger …«
    »Er ist nicht mysteriös – Tiziana hat ihn gesehen und beschrieben …«
    Ich schaute mich wieder um. Jetzt gab es reichlich potenzielle Verfolger um uns herum. Südländer, angeblich auf dem Weg zur Arbeit, die in Wahrheit hinter uns her waren. Der Zug kam, wir stiegen ein. Er rumpelte davon.
    »Es gibt tatsächlich signifikante Engpässe bei den Lehrern, vor allem bei den Sekundarlehrerinnen. Es fehlen auch Kindergärtner, Pflegepersonal, Agronominnen, und es gibt große Fluktuationen beim Verwaltungspersonal bei Uni und ETH. Und wie Sie gesagt haben, sind es keine dramatischen Bewegungen, nichts, das auffallen würde.«
    »Es würde nur jemandem auffallen, der danach sucht.«
    »Genau, und das sind wir. Und darum haben wir einen Verfolger.«
    »Bis jetzt habe nur
ich
gesucht. Ich habe tagelang in Zürich nach Ihren Interviewpartnern gesucht – das muss aufgefallen sein. Ich werde verfolgt, nicht Sie.«
    Sie schaute mich vorwurfsvoll an. »Und Sie sind auch nochstolz darauf. Aber jetzt werde ich als Ihre Komplizin ebenfalls verfolgt, darauf können Sie wetten.«
    »Sorry.«
    Wir ließen den Zug etwas vor sich hin rumpeln. Dann sagte ich: »Die Schlüsselperson ist Elsa Manetti. Sie hat als erste die Notizbücher gesehen, sie hat die Publikation lanciert. Ist sie eigentlich auch verschwunden?«
    »Das ist schwer zu sagen. Sie pendelt zwischen Zürich, Berlin, New York, London und Rio hin und her. Manchmal ist sie auch in Hongkong. Sie ist schwer zu erwischen. – Ich bin immer noch bei den Agronominnen.«
    »Ja, fiel mir auch auf. Dass Lehrerinnen fehlen, ist normal. Der Job ist glatt unmöglich. Aber Agronominnen – mit Betonung auf innen?«
    »Ja, mit Betonung. Agronomen hat es genug. Ich bin jetzt tief im System der RAV, eines Jobsuchprogramms des Agroscope und des Bundesamtes für Arbeit. Es werden ganz gezielt Agronominnen gesucht.«
    »Wenn das jetzt keine Verschwörungstheorie ist.«
    »Ist es nicht, es gibt schlicht zu wenig Agronominnen. Das hat mit dem Heiratsmarkt zu tun. Bauern suchen Bäuerinnen. Die autochthonen Bäuerinnen fliehen alle in die Stadt, da bleiben nur noch Neo-Agronominnen aus der Stadt. Oder fliehende Bäuerinnen aus Rumänien.«
    »Eine Sackgasse. Logisch. Man müsste aber doch eine Agronomin finden, die Manetti gelesen hat oder haben könnte.«
    »Da bin ich ja dran.«
    »Sorry.«
    Ich merkte, dass ich nicht gerade nützlich war, so ganz ohne Internetzugang. Ich schaute mir also die Landschaft an: alles überbaut. Giono ade! Keine Esel, keine Pétanque-Spieler, immerhin einige Weinplantagen für den munter sprudelnden Côtes de Provence.
    Die Verfolger stiegen allmählich aus, schließlich waren wir allein im Zug.
    »Jetzt können wir dann Thomas Schneider anrufen«, sagte Nora Nauer, die eine iPhone-Pause machte.
    »Es ist erst neun Uhr.«
    »Und ich hab eine Agronomin: Lea Baur.«
    »Eine Agronomin, die Bauer heißt«, quittierte ich triumphierend.
    »Wie Baur-au-lac.«
    »Kommt sie aus
der
Familie?«
    »Gut möglich, ist eine alte Zürcher Familie mit Beziehungen zu Bauernbetrieben im Säuliamt.«
    »Und warum könnte sie Manetti gelesen haben?«
    »Weil sie als Sachbearbeiterin bei Claudia Nielsen arbeitet, zuständig für Ernährungsfragen, städtisches Grünzeug usw. Und Stadträtin Nielsen ist bei der SP und eine Bekannte von Thomas Schneider. Sie wohnte in der gleichen Genossenschaft wie Lea Baur. Zudem frequentiert sie Buchläden, Bars usw., wo Manetti erhältlich ist und Manetti-Leserinnen

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