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P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

Titel: P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
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sondern als geheimnisvolle Essenz, die man durch Rituale, geistige Kräfte, herstellen und erwerben kann. Oder durch Terror. Alchemie statt Politik. Sind die Sekten und der Terrorismus die Sturmvögel des Backlash? Das Dreipäpstejahr. Ein paar Monate fehlten. Die kommenden zwei, drei Jahre schien Manetti völlig präsent. Erst im Jahr 1982 gab es wieder eine längere Lücke. Aber dann kommt Kohl, und es geht weiter. »Es wird wieder in die Hände gespuckt.«
    So ging ich alle Bände durch, bis zum Ende von Band 10. Ich hatte mir fünf längere (das ganze Jahr 1986 war unkommentiert, Max Frischs berühmte Rede erwähnte er nicht) und sechs kürzere Lücken, je ein paar Monate, notiert. Ich versuchte, ein Muster zu entdecken. Es gelang mir nicht. Manetti kümmerte sich ohnehin nicht um die mediale Wichtigkeit von Ereignissen, er spekulierte mehr über Hintergründe, Entwicklungen, Verwandlungen. Er war ein Psychohistoriker, aber nicht nur. Er schrieb ausführlich über Klaus Theweleit (
Männerphantasien
, 1977), Julian Jaynes, de Mause. Charisma. Reagan als lächelnde Sphinx. Iran-Contra? Keine Ahnung. Kann man das Proletariat hypnotisieren? Der Altruismus der Ausgebeuteten. Die Ehre, ausgebeutet zu werden (aka Arbeitsethos). Die Angst vor derSelbstorganisation. Die Lust auf den strafenden Vater. Die Unternehmer und die Unternommenen.
    Aber ein System konnte ich nicht erkennen. Es gab keine Ereignisse in bestimmten Weltgegenden, die ihn anzogen. Er war in Zürich oder nicht in Zürich. Eines stand fest: Er war oft und lange fort. Wo? Paris, London, New York, Hongkong …
    Ich tippte auf New York, denn er erwähnte eine Bar in Greenwich Village:
The Kettle of Fish
an der MacDougal Street. Allerdings war diese Bar sehr berühmt als Treffpunkt von der Beat Generation bis zu Bob Dylan und darüber hinaus. Er musste nicht dort gewesen sein, um sie zu kennen. Ein gewisses Interesse für amerikanische Gemütszustände war allerdings feststellbar. Es war bekannt, dass er und Elsa eine Wohnung in New York hatten, vielleicht nicht weit vom Loft in Soho entfernt, wo Max Frisch wohnte. Das musste herauszufinden sein.
    Es war drei Uhr, als ich erschöpft einschlief.

18.
    Als ich gegen zehn Uhr durch die Eingangshalle schritt, sah ich, wie Gemälde in großen, flachen Transportkisten zu einem Lastwagen hinausgetragen wurden. Michael Röhn stand vor einem großflächigen Bild, auf dem weiße Figuren auf gelbem Grund angeordnet waren, und musterte es mit einer Lupe in der Hand.
    »Ist das nicht ein de Kooning?«, ließ ich so nebenbei fallen.
    »1957, um die zwölf Millionen sollten wir schon dafür bekommen«, gab Michael zurück, ohne mich anzublicken.
    »Und was machen wir dann mit dem Geld?«
    Er starrte mich kurz mit gerunzelter Stirn an, schnalzte mit der Zunge und ließ mich einfach stehen. Die Verladearbeiten in den Kastenwagen erforderten seine ganze Aufmerksamkeit.
    Auf dem Weg zum Wintergarten, wo das Frühstück stattfindensollte, sah ich noch Claire und Douglas vor einem andern Bild stehen (Twombly?).
    »Wie viel?«, fragte ich.
    »Acht bis neun«, meinte Douglas, auf Englisch.
    »Will Elsa auch das verkaufen?«
    »Elsa – nein, das ist etwas komplizierter, schon rein steuertechnisch«, erklärte Claire und schenkte mir einen mitleidigen Blick.
    Immerhin hatte ich so etwas wie ein Ja bekommen. Theo Lutz und Thomas waren die Einzigen, die noch beim Frühstück waren. Ich entdeckte ein leckeres Buffet mit Käse, Speck, Schinken, diversen Leberwürsten, geräuchertem Fisch, aber auch den ekelhaften Zutaten für Müesli.
    »Kaffee kannst du da drüben rauslassen«, instruierte mich Theo, auf eine Nespresso-Maschine zeigend.
    Die Sonne schien durch das Glas des Wintergartens, die Türen zur Wiese am See waren weit offen. Es duftete nach gebratenem Speck, Kaffee und frisch gepresstem Orangensaft. Ich nahm mir einen Teller und stellte mir ein üppiges Frühstück zusammen.
    »Ausverkauf?«, fragte ich, als ich mich zu den beiden Männern setzte.
    Sie schauten mich misstrauisch an, während ich eine Schrippe – also ein Rundstück – aufbrach. Sie duftete herrlich, schrie geradezu nach Butter und Leberwurst. In Deutschland würde ich definitiv mein Gewicht nicht halten können.
    »Der Kunstmarkt hat sich erholt«, sagte Theo nur.
    »Hast du gut geschlafen?«, lenkte Thomas ab.
    Er sah nicht besonders gut aus. Irgendwie gehetzt, erschöpft. »Ausgezeichnet. Die Landluft macht’s.«
    »Sieht aus wie ein idealer Tag zum

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