Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

Titel: P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
vor einem Landgasthof namens
Alter Hecht
. Viele Velos standen davor, er wirkte touristisch und belebt. Es gab einen gut besetzten Biergarten direkt am Seeufer.
    Die Karte versprach einfache Gerichte: Würste, Frikadellen, Kartoffelsalat, Bauernschinken, Rippchen vom Grill und Ähnliches.
    Wir nahmen einen Tisch etwas abseits, in einer Ecke am Seeufer. Nachdem Susanne Forellenfilets mit Salat und ich Bratwurst mit Kartoffelsalat bestellt hatte, legte sie los.
    »Wir müssen im Gutshof Nachforschungen anstellen. Sicher hat jemand etwas bemerkt. Ich habe mein iPhone und mein Netbook dabei. Dann müssen wir Band 11 noch einmal analysieren.Wenn da eine Nummer war, dann gibt es sicher noch weitere Hinweise.«
    »Vielleicht sind die in Band 12.«
    An einem der benachbarten Tische begann ein Paar über die richtige bzw. konsequente Erziehung ihres renitenten, persönlich anwesenden Söhnchens zu streiten. Es hörte interessiert zu.
    Wir sahen die Kellnerin – eine mit Piercings verschönte, gothic gestylte junge Frau – mit dem Tablett auf uns zukommen. Eine vorstehende Wurzel einer der Buchen des Biergartens verhakte sich mit einem Fuß. Die Kellnerin verlor die Balance und landete verblüffend elegant flach auf dem Kiesboden. Das Tablett blieb auf seiner bisherigen Bahn und stürzte ab, während Geschirr, Flaschen und Besteck sich bis zum Uferrand verstreuten. Meine Würstchen und Susannes Forellenfilets flogen in den See, wo sich die Enten sofort darum zu kümmern begannen.
    Susanne half der Kellnerin beim Aufstehen. Sie hatte nur ein aufgeschürftes Knie, sah jedoch sonst intakt aus.
    »Scheiße«, stellte sie treffend fest.
    Wir halfen ihr beim Auflesen des Geschirrs.
    »Macht nichts«, tröstete sie Susanne, »Unfälle geschehen überall.«
    »So ein Scheißjob«, fluchte die junge Frau, »all das wird mir vom Lohn abgezogen.«
    Ich hatte die Rechnung entdeckt, die auf etwa 15 Euro lautete. Ich klaubte eine Zwanzigernote aus meinem Portemonnaie und streckte sie ihr hin.
    »Ist schon in Ordnung.«
    Sie lächelte unsicher.
    »Wir müssen jetzt weiter«, sagte ich zu Susanne.
    Sie war einverstanden, denn das Gekeife am Nebentisch war uns inzwischen auf die Nerven gegangen.
    Wir gingen in Richtung des benachbarten Campingplatzes, der ruhiger wirkte.
    »Mit Geld kann man alles lösen«, brummte Susanne.
    »Vor allem Geldprobleme«, gab ich zurück.
    Wir fanden eine Imbissbude, wo ich eine Frikadelle undSusanne ein Heringsbrötchen kauften. Dazu je eine Diät-Cola.
    Wir setzten uns ins Gras am Ufer. Im Westen begannen sich Wolken zusammenzuballen. Etwa fünfzig Meter östlich von uns stritten sich einige Kinder um den Besitz des Paddels eines roten Gummibootes.
    »Das Ganze ist hoffnungslos«, begann Susanne wieder, »die Leute kommen nicht aus den Zwängen ihres Alltags heraus. Je besser sie verstehen, wie ihr alltägliches Handeln das Klima schädigt, umso mehr Ausreden erfinden sie. Sie missbrauchen ihr Wissen sogar dazu, ihre Sünden zu rechtfertigen. Ich weiß wenigstens, was ich nicht tue, sagen sie – andere haben keine Ahnung. Die Ökologie ist zu einer Religion verkommen. Einsichten sind nicht handlungsrelevant. Lieber verbrennen wir im Haus, statt dass wir ohne Hose auf die Straße rennen. Wir werden bei Erreichen des höchsten Bewusstseinsstands untergehen.«
    »Kein Problem«, sagte ich, »es ist nur einer dieser Planeten.«
    »Ja, verdräng nur.«
    »Ich verdränge gar nichts. Nicht nur habe ich kein Problem, es gibt gar keine Probleme. Allenfalls gibt es Projekte. Aufgaben. Aber die entstehen nicht aus Ängsten und Sorgen. Bei Manetti sieht man sehr gut, wie die 68er Generation versagte und uns einen Trümmerhaufen hinterließ. Sie haben den Individualismus, der uns umbringt, losgetreten. Hast du den Film dieser Zürcher Künstler gesehen, die zeigen, wie Jimmy Carter 1978 noch Sonnenkollektoren auf dem Weißen Haus anbringen ließ? Reagan hat dann alles abmontiert.
The Road Not Taken
heißt er. Wir haben viele Wege nicht eingeschlagen, die man hätte einschlagen sollen. Wir haben zwar ein Leben geführt, aber dabei alle richtigen verpasst. Wir waren die Gefangenen eines kulturellen Modells. Wir haben unsere Ansprüche immer so weit hinuntergeschraubt, bis die Differenz zur Realität nicht mehr allzu weh tat. Ein gewisser Komfort hat dabei geholfen, wenigstens hier im Nordwesten.«
    »Man sollte sich empören!«, rief Susanne aus.
    »Man wird sich empören, aber vielleicht nicht gerade hier in

Weitere Kostenlose Bücher