Poirot Rechnet ab
Flittchen finden würden!
Trotz dieses in schnellstem und virtuosestem Französisch hervorgebrachten Redeschwalls – Céléstine hatte ihn noch mit lebhaften Gesten untermalt – begriff das Zimmermädchen doch allmählich, wovon die Rede war. Das Blut schoss ihm in den Kopf.
»Wenn diese ausländische Person behauptet, ich hätte diese Perlen genommen, so ist das eine Lüge!«, rief sie heftig. »Ich habe sie überhaupt nie gesehen!«
»Durchsuchen Sie sie doch!«, kreischte die Französin. »Sie werden sehen, sie hat sie.«
»Lügnerin!«, schrie das Zimmermädchen und ging auf sie zu. »Sie haben sie selbst gestohlen, und nun wollen Sie es auf mich abwälzen. Ich war doch erst drei Minuten im Zimmer, ehe die Gnädige heraufkam, und Sie saßen hier die ganze Zeit wie eine Katze vor dem Mauseloch.«
Der Inspektor schaute Céléstine fragend an. »Ist das wahr? Haben Sie das Zimmer überhaupt nicht verlassen?«
»Ich habe sie nicht allein gelassen«, gab Céléstine widerwillig zu, »aber ich ging zweimal in mein Zimmer – einmal um Faden zu holen und einmal wegen der Schere. Die Zeit muss sie ausgenützt haben.«
»Sie waren ja nicht einmal eine Minute weg«, warf das Zimmermädchen wütend ein. »Sie sind ja nur rausgegangen und sofort wieder reingekommen. Ich wäre sehr froh, wenn die Polizei mich durchsuchen würde. Ich habe nichts zu befürchten!«
In diesem Augenblick klopfte es an die Tür. Der Inspektor öffnete, und sein Gesicht erhellte sich. »Ah!«, sagte er. »Vorzüglich! Ich habe für die Durchsuchung eine Polizistin angefordert. Da ist sie. Vielleicht gehen Sie ins nächste Zimmer.«
Das Zimmermädchen ging mit hocherhobenem Kopf voran. Die Polizistin folgte ihr.
Die französische Zofe schluchzte auf einem Stuhl. Poirot sah sich im Zimmer um. Ich versuchte, eine genaue Skizze des Zimmers zu machen.
»Wohin führt diese Tür?«, fragte Poirot und deutete auf die Tür neben dem Fenster.
»Zum nächsten Appartement«, sagte der Inspektor. »Sie ist auf dieser Seite verschlossen.«
Poirot ging hinüber zur Tür, drückte die Klinke nieder, aber die Tür blieb zu. Dann zog er den Riegel zurück und versuchte es erneut.
»Und auf der andern Seite auch«, bemerkte er. »Gut, das scheint in Ordnung zu sein.«
Er ging zu den Fenstern und untersuchte jedes einzelne.
»Nichts! Nicht einmal ein Balkon.«
»Selbst wenn einer da wäre, würde uns das wohl kaum weiterhelfen, da ja die Zofe das Zimmer nicht verlassen hat«, sagte der Inspektor ungeduldig.
»Evidemment«, sagte Poirot, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Da Mademoiselle mit Bestimmtheit sagt, sie hätte das Zimmer nicht verlassen…«
Er wurde unterbrochen. Die Beamtin kam mit dem Zimmermädchen zurück. »Nichts«, sagte sie lakonisch.
»Das möchte ich auch gehofft haben!«, sagte das Stubenmädchen. »Dieses französische Luder sollte sich schämen, einem anständigen Mädchen die Ehre abzuschneiden!«
»Schon gut, schon gut«, sagte der Inspektor und machte ihr die Tür auf. »Niemand verdächtigt Sie. Sie können jetzt gehen. Wir brauchen Sie vorläufig nicht mehr.«
Das Zimmermädchen ging sehr ungern. »Wird sie auch durchsucht?« Sie deutete auf Céléstine.
»Aber natürlich!« Der Inspektor schloss die Tür und drehte den Schlüssel um. Die Beamtin nahm Céléstine am Arm und ging mit ihr in den kleinen Raum nebenan. Ein paar Minuten später kamen sie zurück. Ohne Erfolg.
Das Gesicht des Inspektors wurde ernster.
»Ich bedaure sehr, aber ich muss Sie bitten, mitzukommen, Miss.« Er wandte sich an Mrs Opalsen. »Es tut mir leid, Madame, aber ich muss allen Möglichkeiten nachgehen. Wenn sie die Perlen nicht bei sich hat, so sind sie wahrscheinlich irgendwo im Zimmer versteckt.«
Céléstine stieß einen Schrei aus und klammerte sich an Poirots Arm. Er beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie sah ihn zweifelnd an.
»Si, si mon enfant – ich versichere Ihnen, es ist besser, keinen Widerstand zu leisten.« Dann drehte er sich zu dem Inspektor um.
»Erlauben Sie, Monsieur? Ein kleines Experiment – nur zu meiner Beruhigung.«
»Hängt ganz davon ab«, erwiderte der Polizeioffizier unfreundlich.
Poirot wandte sich noch einmal an Céléstine. »Sie erzählten uns, dass Sie in Ihr Zimmer gingen, um dort Faden zu holen. Wo lag der Faden?«
»Oben auf der Kommode, Monsieur.«
»Und die Schere?«
»Auch dort.«
»Würde es Sie sehr stören, Mademoiselle, wenn ich Sie bitte,
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