Poirots erste Fälle
Landsitz der Herzogin von Swa n sea. Sie verließ London mit dem Zuge, der um 12.14 Uhr von Pa d dington abfährt und um 2.50 Uhr in Bristol, wo sie umsteigen musste, ankommt. Die wichtigsten Schnel l züge nach Plymouth fahren natü r lich über Westbury und berühren Bristol überhaupt nicht. Der 12.14 Uhr fährt aber bis Bristol durch und hält nachher in Weston, Taunton, Exeter und Newton Abbot. Meine Tochter reiste allein im Abteil, das bis Bristol reserviert war. Ihre Zofe saß in einem Abteil dritter Klasse im näch s ten Wagen.«
Poirot nickte, und Mr Halliday fuhr fort: »Die Einl a dung in Avonmead Court war ziemlich großartig aufgez o gen. Es sollten mehrere Bälle stattfinden. Meine Tochter hatte daher fast ihren ganzen Schmuck bei sich im Werte von ungefähr hunderttausend Dollar.«
»Un moment«, unterbrach Poirot. »Wer hatte den Schmuck in Ve r wahrung? Ihre Tochter oder die Zofe?«
»Meine Tochter hatte ihren Schmuck stets bei sich, und zwar in e i nem kleinen blauen Lederkoffer.«
»Bitte fahren Sie fort, Monsieur.«
»In Bristol erschien die Zofe, Jane Mason, mit dem Kleingepäck meiner Tochter, das sie zu betreuen ha t te, an der Tür von Flossies Abteil. Zu ihrem ungeheuren E r staunen sagte ihr meine Tochter, dass sie in Bristol nicht aussteigen, sondern im selben Zuge we i terfahren werde. Sie wies Mason an, das große Gepäck zum G e päckraum schaffen zu lassen und sich dann in den Erfrischung s raum zu setzen. Sie solle aber ja am Bahnhof auf ihre Herrin warten, die mit e i nem anderen Zug im Laufe des Nachmittags nach Bristol zurüc k kehren würde. Obgleich die Zofe höchst erstaunt war, befolgte sie genau alle I n struktionen. Sie brachte das Gepäck zum Gepäckraum und bestellte sich eine Tasse Tee. Ein Zug nach dem a n deren lief ein, aber ihre Herrin erschien nicht. Nach A n kunft des letzten Zuges ließ Mason die Koffer beim Handgepäck und übernachtete in einem Hotel in der N ä he des Bah n hofs. Heute Morgen las sie von der Tragödie und kehrte mit dem er s ten Zug nach London zurück.«
»Und Sie haben gar keine Erklärung für die plötzliche Änd e rung in den Reiseplänen Ihrer Tochter?«
»Es könnte höchstens der Mann im Abteil gewesen sein. Nach Jane Masons Bericht war Flossie in Bristol nämlich nicht mehr allein im Abteil. Ein Mann stand am anderen Fenster und blickte hinaus. Da er ihr den R ü cken zukehrte, konnte Jane Mason das Gesicht nicht s e hen.«
»Es war natürlich ein D-Zug-Wagen mit Gang, nicht wahr?«
»Ja.«
»Auf welcher Seite war der Gang?«
»Nach dem Bahnsteig zu. Meine Tochter stand im Gang, als sie sich mit Mason unterhielt.«
»Und Sie hegen keinen Zweifel daran, dass diese wah r scheinlich unerwartete Begegnung Ihre Tochter vera n lasst hat, andere Disposit i onen zu treffen?«
»Es scheint die einzig vernünftige Erklärung.«
»Haben Sie keine Idee, wer der fragliche Herr gew e sen sein kön n te?«
Der Millionär zögerte ein wenig, dann antwortete er:
»Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Nun – und wie war es mit der Entdeckung der Le i che?«
»Sie wurde von einem jungen Marineoffizier gefu n den, der sofort das Zugpersonal alarmierte. Unter den Mitre i senden befand sich ein Arzt, der die Leiche u n tersuchte. Es stellte sich heraus, dass meine Tochter zuerst chlor o formiert und dann erstochen wurde. Nach seiner Ansicht war sie ungefähr vier Stunden tot. Es muss also kurz hi n ter Bristol passiert sein – wah r scheinlich zwischen Bristol und Weston oder auch zwischen Weston und Tau n ton.«
»Und der Juwelenkoffer?«
»Der Juwelenkoffer, Monsieur Poirot, war verschwu n den.«
»Noch eins, Monsieur. Wer erbt das Vermögen Ihrer Tochter?«
»Flossie setzte kurz nach ihrer Heirat ein Testament auf, in dem sie alles ihrem Mann vermachte.« Nach ein i gem Zögern setzte er hinzu: »Ich muss Ihnen wohl sagen, Monsieur Poirot, dass ich meinen Schwiege r sohn für einen charakterlosen Nichtsnutz ans e he und dass meine Tochter auf meinen Rat hin drauf und dran war, sich auf geset z lichem Wege von ihm zu trennen, was keine Schwierigkeiten bot. Ich habe ihr Geld so festgelegt, dass er es zu ihren Lebzeiten nicht in die Hand bekommen konnte. Obgleich sie mehrere Jahre völlig getrennt gelebt haben, ist sie doch häufig seinen Geldforderungen nac h gekommen, um einen öffentl i chen Skandal zu vermeiden. Ich aber war die Sache leid und wollte diesem Zustand ein Ende machen. Schließlich hat Flossie sich damit ei n
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