Poison (German Edition)
Gestalten, die du siehst, ... die du sehen darfst, Brix ..., sie sind wie Engel. Fürchte dich nicht vor ihnen, denn sie sind deine Begleiter. Sie werden dir den richtigen Weg weisen.«
Damals verstand ich nicht, was sie meinte, doch irgendwann begann ich, es zu ahnen, und später zu wissen. Vielleicht entsprachen sie danach nicht mehr ihrer Wahrheit – aber hatte ich denn eine Möglichkeit, sie zu fragen? – also verbog ich sie immer mehr und mehr, bis ich sie in ganz bestimmte Gestalten stilisierte, dehnte und interpretierte die Wahrheit so lange, bis sie zu meiner Wahrheit wurde ... und zu dem, was sich ganz langsam, aber beständig zu einer Richtlinie für das Leben entwickelte ... bis ich schließlich zu meiner heutigen Lebensweise gelangte. Und wann immer ich einen dieser Träume hatte, benutzte ich ihn als Warnung und Mahnung, meine Emotionen noch ein Stückchen mehr zurückzuschrauben, noch weniger von mir nach außen dringen zu lassen, keine Angriffsfläche mehr zu bieten – für niemanden. Leider verschwanden die Engel niemals so richtig, blieben immer Teil von mir, tauchten in manchen Situationen mehr, in manchen weniger auf, meldeten sich manchmal wochenlang gar nicht, aber kehrten immer wieder zu mir zurück.
Ich redete mir lange ein, dass eben alles nur bis zu einem bestimmten Punkt funktioniert, versuchte, dabei unbekümmert zu wirken, vermied jedoch trotzdem so viel Schlaf wie nur möglich, um den Träumen und damit ihnen auszuweichen. Dann allerdings kamen die Visionen, die mich jedes Mal völlig überraschend in wachem Zustand überfielen ... undeutlich und scheinbar ohne jeden Sinn ... bis Freitagabend. Etwa zeitgleich mit dem Auftreten der Visionen begann ich dann auch, die Warnungen mehr und mehr als Fluch zu sehen, bis ich mich vor einem halben Jahr dann endlich getraut habe, Nachforschungen anzustellen, die aber zu keinem Ergebnis führten.
Bis ich dann kürzlich eher durch Zufall auf die »Kinder der Isis« stieß ... Club, Sekte, Meditationskreis, was auch immer, auf jeden Fall mit Leuten darin, die ganz gewiss mehr Ahnung von solchen Dingen haben als ich und die diese Ahnung hoffentlich mit mir teilen, damit ich endlich verstehe, was da mit mir los ist und wie ich mich davon befreien kann ... oder so ähnlich. Meinen Vorstellungen von Freizeitgestaltung entspricht diese Organisation jedenfalls nicht, nicht mal ein bisschen, weshalb mein Anteil an diesem ... uhm... Verein ziemlich gering bleiben wird. Ich glaube nicht an Gruppendynamik, sondern an mich, ausschließlich, und ich vertraue auch nur Dingen, die ich selber in die Hand nehmen und lösen kann. Und dennoch schloss ich mich ihnen an, zumindest fürs Erste, um Informationen zu bekommen, und dies, obwohl sich alles in mir sträubte. Aber die Aussicht auf neue Erkenntnisse und die Hoffnung auf die lang herbeigesehnte Lösung wog einfach stärker als ein für mich nicht näher zu definierendes Gefühl von Gefahr, und auch wenn mir klar war, dass mir keiner von ihnen würde sagen können, wo ich den Schalter finde, um den Fluch ein für alle Mal abzuschalten, bestand doch zumindest noch ein bisschen Hoffnung, dass ich ihn selbst finde ... durch Zufall? Der Umstand, wie ich auf die »Kinder der Isis« aufmerksam wurde, wies darauf hin, dass der Zufall in diesen Kreisen eine große Rolle spielt ... und dass ich auf dem richtigen Weg bin, was mein Leben betrifft.
Ich hatte nämlich im »Turm« zwei Jungs aufgegabelt, die ich schließlich zu mir abgeschleppt hatte. Es wurde eine der Nummern daraus, an die ich mich gern erinnere, auch wenn ich nicht das Bedürfnis danach habe, sie zu wiederholen – warum auch, es wäre langweilig. Jedenfalls ist mir mitten darin aufgefallen, dass einer von beiden – Damian – ein seltsames Tattoo auf seinem Beckenknochen hatte, was mich noch nicht wirklich verwirrt hatte. Die Tatsache, dass Chris – der zweite Typ und Damians Lover – auf seinem Hintern das gleiche ... oder ein ähnliches Tattoo trug. Die Tatsache, dass beide zusammen, womöglich nur in der Stellung, in der Damian Chris liebte, genau aufeinandertrafen, und dadurch ein völlig neues, mystisches Bild ergaben, das ich schon einmal irgendwo gesehen habe. Und es fiel mir wie Schuppen von den Augen, als mir Sekunden später einfiel, wo ... in meinen Träumen.
By the way, ich fühle mich gerade, als würde ich aus einem dieser Träume erwachen, und obwohl ich mir sicher bin, nur nachgedacht und nicht geschlafen zu haben, sehe ich diese
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