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Poison (German Edition)

Poison (German Edition)

Titel: Poison (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Alster
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Statue mit weit ausgebreiteten Flügeln im Saal für die Versammlungen steht, den wir gerade links liegen lassen und in dem ein paar Männer stehen, die in weißen Leinengewändern stecken und ein paar Becher und Tabletts zusammenräumen – ich kenne keinen Einzigen hier, was etwas bedeutet. Ich meine, wenn das Gays sind – sie sind nicht besonders alt und eigentlich genau mein Typ – aber ich habe sie in der Szene noch nie gesehen. Ich werfe einen abfälligen Blick hinein, und denke, es wird immer nur ein großer Raum mit Stühlen und Teppichen drin bleiben, auch wenn »Mutter« tausendmal das Wort »Tempel« über die Tür schreibt und das Interieur auf ägyptisch trimmt. Und für heute ist es sowieso egal, hier ist die Show vorbei.
    Chris führt mich weiter den Gang entlang, eine Treppe herab, durch eine Gittertür, weiter durch einen schmalen, von Wandfackeln beleuchteten Steingang, und bleibt vor der groben Holztür am Ende stehen, die eine von zwei Türen insgesamt hier unten ist ... und die so alt wirkt, dass sie vermutlich nur noch vom Dreck vieler Jahre daran gehindert wird, einfach auseinanderzufallen. Na ja, es passt zum Gesamtbild dieses ... uhm...Vereins, und Chris scheint für den Moment richtig ehrfürchtig. Nanu? Was macht er denn jetzt? Er schließt die Augen, scheint sich zu konzentrieren ... »innerlich sammelnd« wäre der richtige Ausdruck, aber das ist doch deutlich fehl am Platze, oder? – und klopft an, wartet einen Moment, bis aus dem Innern ein gereiztes »Ja?« ertönt, öffnet dann die Tür einen Spalt, tritt zaghaft ein und verbeugt sich.
    »Mutter.« War er immer schon so unterwürfig? Wenn ich so darüber nachdenke ... ja, doch.
    »Brix ist jetzt hier.« – »Dann steh nicht im Weg herum, bitte ihn herein!« Fehlt nur noch, dass sie »Sklave« anfügt, aber so, wie Chris sich ohnehin benimmt, ist das wohl nicht nötig.
    »Gute Erziehung«, grinse ich innerlich. Er nickt mir zu, und ich gehe an ihm vorbei. »Vielleicht hätte ich eine Taschenlampe mitnehmen sollen«, denke ich. Hier ist es verdammt dunkel, nur eine schwarze Kerze erhellt diesen Raum, was den Effekt hat, dass man nur ein paar Dinge sieht ... und keinesfalls, wie groß der Raum eigentlich wirklich ist oder welche Leute noch hier sind. Na prima, meine Begeisterung steigt gerade. So, wie es hier riecht, brennt hier allerdings nicht nur die Kerze ... riecht nach Weihrauch. Gott, ich hasse dieses ekelhafte Zeug. Können die nicht statt dessen Gras verbrennen? Oder Cannabisblätter? Wo ist denn da der Sinn? Das Zeug hat doch keinen Effekt, außer dass es stinkt. Innerlich rolle ich die Augen, äußerlich bleibe ich allerdings cool ... und tue so, als wäre ich fasziniert und interessiert, als ich »Mutter«, einer alternden Drag Queen, gegenüberstehe. Auch das noch.
    Zwischen uns befindet sich nur ein Tisch, neben mir ein Stuhl, auf den sie mich Platz zu nehmen bittet. Ich »gehorche« und versuche mich an einem Gesichtsausdruck, der Anspannung ausdrücken soll, so dass es wenigstens so aussieht, als hätte sie meine volle Aufmerksamkeit ... was mir nur schwach gelingt, weil mich diese schräge Hintergrundmusik ganz schön ablenkt.
    »Mein Sohn ...«, beginnt sie in huldvollem Tonfall ... und hat damit bei mir verloren. Ich bin niemandes Sohn, verdammt! Und schon gar nicht deiner!!! ...
    »Du bist deiner inneren Stimme also doch gefolgt. Denn du bist auf der Suche ... und ich kann dir helfen, nicht länger im Dunkeln umherzuirren, sondern den Weg der Erleuchtung und der spirituellen Erlösung zu finden. Ich werde dir den Pfad weisen, der tief in dein Selbst und dein Ziel führt«, redet sie weiter, meine Gereiztheit ignorierend. Will sie mich mit ihrer salbungsvollen Rede einwickeln? As if! Skepsis ist mein zweiter Vorname, »Mutter«.
    »Ach? Und wo wäre der?«, hake ich nach, als sie ihre Kunstpause in die Länge zieht.
    »Es ist der Weg, den die Götter in deine Wiege gelegt haben. Eine Reise, um deine Bestimmung zu erfüllen, mein S... Brix.«
    Ahhh. Sie hat meinen Ärger bemerkt. Zeugt von Menschenkenntnis, aber auch von Manipulationstalent. Wetten, dass du dir deine falschen Zähne ausbeißen wirst?
    »So? Und wieso solltest ausgerechnet du, »Mutter«, bei allem Respekt (den ich nicht wirklich empfinde, aber egal, solange es glaubhaft kommt), mehr wissen als ich?«, frage ich, lässig zurückgelehnt, auf ihre Antwort wartend. Na, ich bin ja wirklich gespannt.
    »Weil ich mit den Göttern verbunden bin, und ihnen

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