Poison (German Edition)
von zwei Flaschen Whisky diesen Abend ganz schnell aus meinem Gedächtnis tilgen. Aber das scheint Mutter nicht gelten zu lassen. Sie nimmt mir die Kippe ab, an der ich gerade ein-, zweimal gezogen habe, und tritt sie auf dem Boden aus. Okay, noch extremer kann’s ja kaum noch werden, also schieß los.
»Seth hat dich gezeichnet, Brix, daran besteht kein Zweifel. Eine solche Auserwähltheit hat nicht nur Vorteile, sondern auch Pflichten. Er möchte, dass du dich in unsere Universelle Bruderschaft aufnehmen lässt, um daran mitzuwirken, dass Berlin von allen Kreaturen, die schlecht für Seth und die anderen Götter sind, gereinigt wird ... bald und auf allen Wegen!«
Ich denke, in meinem Kopf schwirren tausend Fragen. Doch dazu, die Erste zu stellen, komme ich nicht, denn Mutter hebt gebieterisch ihre Hand, und ich verstumme, warte ab, was sie mir noch zu sagen hat. »Schweig! Begib dich nun nach Hause und überdenke das kostbare Geschenk Seths. Nimm dir genügend Zeit dafür. Doch du wirst innerhalb eines Mondes hierher zurückkehren und dich von mir initiieren lassen. Und nun geh.«
Aber ich weiß eigentlich immer noch nicht, von was hier die Rede ist. Bruderschaft? Klingt nach einem suspekten Verein. Und Berlin von etwas oder jemandem zu befreien klingt für mich nicht gerade nach dem großartigen Werk eines ach so mächtigen Gottes ... sondern vielmehr so, als wolle da jemand mit ein bisschen Show seine eigenen Interessen verfolgen ... denn jede Stadt auf diese Art reinigen? Nein. Und Götter? Ich glaube nicht mal an den einen Gott ... und jetzt kommt man mir gleich mit mehreren davon? Und überhaupt ... ich werde innerhalb eines Mondes hierher zurückkehren? Ich? Nicht wirklich. Dieser Laden hat mich heute zum letzten Mal gesehen, sowohl von innen als auch von außen, beschließe ich, auf einmal froh, die Sache hinter mir zu haben. Ich stehe auf, gehe schnellen Schrittes zur Tür, öffne sie und trete gerade mit einem Fuß hinaus, als Mutter noch einmal ihre Stimme erhebt.
»Brix, eines solltest du noch wissen: Seth ist ein gütiger, mächtiger Herrscher, und er beschenkt diejenigen, die ihm dienen, reich mit Gold, Ehre und Macht. Aber diejenigen, die ihn verraten, die vernichtet er gnadenlos und ohne Vergebung. Er übersät dich mit Flüchen, die dich dahinsiechen lassen, er sendet dir Krankheiten, Schmerzen, Leid, und selbst für die kleine Möglichkeit, dass du dazu in der Lage wärest, zu fliehen, würde es dir nichts nutzen ... denn für ihn existieren keine Grenzen, er verfolgt dich überall hin, sogar in die Äußeren Ebenen, er findet dich überall und ... vernichtet dich«, erzählt Mutter meinem Rücken im Plauderton ... und läutet dann ein Glöckchen.
Ein paar Meter vor mir öffnet sich eine Tür, und zwei kräftige Typen erscheinen, treten auf den Gang. Ihre Klamotten variieren irgendwo zwischen Ben Hur, Kleopatra und Julius Cäsars Legionären, bis hin zu den Schnürsandalen ... Sie sind zwar nicht stilecht, aber überzeugend, und auch, wenn ich mich in dieser Verkleidung nicht einmal dann auf einem Maskenball präsentieren würde, wenn mich dort garantiert niemand kennt, scheinen sie sich darin wohlzufühlen ... und unglaublich wichtig. Na klar. Gesehen habe ich die jedenfalls noch nie ... und mir ist klar, warum. Ich meine, SO kann man die ja auch schlecht in der Öffentlichkeit präsentieren, ohne sich lächerlich zu machen. Jedenfalls begleiten sie mich zum Ausgang, um nicht zu sagen, sie setzen mich grob vor die Tür. Und was soll das? Machtbeweis von Mutter? Unterschwellige Drohung? »Von Seth gezeichnet«? Danke, verzichte. Ich wusste schon, warum ich diese Träume immer als Fluch bezeichnet habe. Aber lieber mein Leben lang diese furchtbaren Träume, als diese durchgeknallte Transe mit ihren Visionen von einem gereinigten Berlin. Die Hoffnung auf die Hilfe der »Kinder der Isis« stirbt gerade mit dem Zuschlagen der Tür hinter mir. Zeit für Vergessen ... und für meinen speziellen Freund ... für Jack.
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Frank (oder Moritz, Ludger, Annemarie ...)
Hallo, ich bin Frank. Ich spiele in diesem Buch eigentlich gar keine Rolle, denn ich trete nur als Randfigur auf. Insofern könnte ich auch Moritz, Ludger oder Annemarie heißen, wobei »Annemarie« als Gast in einem schwulen Lokal wie dem »Peaches« eher unüblich ist, aber ... Also, bleiben wir bei Frank. Versprochen, ich verschwinde auch gleich wieder aus der Handlung, aber »eine« Geschichte soll ich hier doch zum besten geben
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